Abmahnung im Arbeitsrecht: Was müssen Arbeitnehmer beachten?

  • Felix Schmid
  • 19. Dezember 2024
  • 12:01
Abmahnung im Arbeitsrecht

Eine Abmahnung im Arbeitsrecht ist eine formelle Rüge, bei der man  – in der Regel der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – einen bestimmten Pflichtverstoß vorwirft. Der Arbeitnehmer wird darin aufgefordert, das Fehlverhalten in Zukunft zu unterlassen, um eine mögliche Kündigung abzuwenden. Theoretisch dient die Abmahnung dazu, vertragliche Pflichtverletzungen festzuhalten und dem abgemahnten Vertragspartner die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu ändern. Praktisch bereitet sie häufig die Kündigung vor.  Im folgenden Beitrag erläutern wir den Inhalt und die Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung, die Bedeutung in einem späteren Kündigungsschutzprozess – und was man als Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Abmahnung tun sollte.

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Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung

Eine Abmahnung ist ein Instrument i.d.R. des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf ein vertragswidriges Verhalten hinzuweisen. Damit einher geht oft die Ankündigung, im Wiederholungsfalle das Arbeitsverhältnis zu kündigen.  Die Abmahnung ist also ein rechtliches Mittel, den Arbeitnehmer zu warnen und ihm eine Chance zur Besserung zu geben, bevor weitergehende Maßnahmen, wie z. B. eine Kündigung, in Betracht gezogen werden.  Andere Formen einer arbeitgeberseitigen Rüge ist die „Ermahnung“ oder „Beanstandung“, bei welchen die Androhung einer zukünftigen Kündigung fehlt.

Aber: Nicht jede Abmahnung ist auch wirksam. Das ist vor allen Dingen deshalb wichtig, weil in vielen Fällen die (wirksame) Abmahnung Voraussetzung für eine (wirksame) Kündigung ist. Beispielsweise ist eine (wirksame) Abmahnung fast immer notwendige Voraussetzung für den späteren Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung

Eine wirksame Abmahnung hat folgende Voraussetzungen: 
  1. Präzise Beschreibung des Fehlverhaltens: Das abgemahnte Verhalten muss genau geschildert werden, einschließlich Datum (und Uhrzeit) des Pflichtverstoßes. Vage Anschuldigungen oder pauschale Hinweise sind nicht ausreichend (Rügefunktion)
  2. Deutliche Kennzeichnung als Vertragsverstoß: Der Pflichtverstoß muss klar benannt und der Betroffene muss explizit dazu aufgefordert werden, das beanstandete Verhalten nicht zu wiederholen (Hinweisfunktion)
  3. Hinweis auf Kündigungsrisiko bei Wiederholung: Die Abmahnung muss klarstellen, dass bei wiederholtem Verstoß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen kann (Warnfunktion)
  4. Die Abmahnung muss verhältnismäßig sein: Die konkrete Abmahnung muss dem konkreten Grad des Fehlverhaltens angemessen sein, um die Androhung einer Kündigung zu rechtfertigen. Ein geringfügiger Pflichtenverstoß kann ein unangemessener Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers sein. Nicht jedoch dann, wenn dieser sehr häufig und in gewissen Mustern erfolgt (z. B. Geringfügiges, aber regelmäßiges Zuspätkommen an bestimmten Tagen oder Ähnliches). Generell muss jeder Fall einzeln betrachtet werden. 

Die Wirksamkeit kann im Einzelfall schwierig sein zu beurteilen. Oft wird man die umfassende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte heranziehen müssen, um die Wirksamkeit einer Abmahnung zu prüfen.  Im Zweifel sollte sich der Arbeitnehmer rechtlichen Rat einholen, um die Situation korrekt zu bewerten und richtig zu reagieren. 

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Beispiele für eine wirksame Abmahnung 

Der Arbeitgeber hat das Recht, eine Abmahnung bei sämtlichen vertraglichen Pflichtverletzungen auszusprechen, sofern Arbeitnehmer diese durch eigenes Verhalten steuern können.  Diese Pflichtverstöße können sehr unterschiedlich sein und sich auf verschiedene Aspekte des Arbeitsverhältnisses beziehen. Hier nur einige Beispiele aus der Rechtsprechung

  • Verspätungen: Unentschuldigtes oder wiederholtes Zuspätkommen.
  • Mobbing: Schädigung der Arbeitsatmosphäre durch Demütigung, Belästigung oder Ausgrenzung von Kollegen.
  • Gewollte Schlechtleistung: Bewusst mangelhafte Arbeitserbringung.
  • Beleidigungen: Verunglimpfung von Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten.
  • Arbeitsverweigerung: Nichterfüllung der Arbeitsaufgaben ohne triftigen Grund.
  • Krankfeiern: Vortäuschung einer Krankheit, um sich von der Arbeit zu drücken.
  • Eigenmächtiger Urlaubsantritt: Urlaub nehmen ohne Zustimmung des Arbeitgebers.
  • Verbotene Nebentätigkeiten: Ausübung von Tätigkeiten, die vertraglich untersagt sind oder Interessenkonflikte hervorrufen.
  • Private Internetnutzung: Exzessive Nutzung des Internets für private Zwecke während der Arbeitszeit.
  • Alkohol- oder Drogenkonsum: Konsum dieser Substanzen mit Einfluss auf die Arbeitsleistung oder die Sicherheit am Arbeitsplatz.
  • Verrat von Geschäftsgeheimnissen: Weitergabe von vertraulichen Informationen ohne Berechtigung.
  • Datenschutzverstöße: Nichtbeachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Umgang mit personenbezogenen Daten.

In anderen Fällen sind Abmahnungen dagegen unzulässig, zum Beispiel: 

  • Abmahnungen wegen Krankheit: Wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt fehlt, darf dieser Umstand nicht abgemahnt werden. Denn die Gesundheit/Krankheit ist kein Verhalten des Arbeitnehmers und liegt außerhalb seiner Kontrolle.
  • Arbeitspflichten, die nicht bestehen: Erteilt der Arbeitgeber eine Anweisung, die außerhalb der vertraglichen Vereinbarungen liegt und lehnt der Arbeitnehmer diese ab, kann dafür keine Abmahnung ausgesprochen werden.
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Form für eine Abmahnung im Arbeitsrecht

Eine Abmahnung kann auch mündlich ausgesprochen werden. Jedoch ist es für Beweiszwecke üblich, die Schriftform einzuhalten, um den Ausspruch der Abmahnung und deren Inhalt später nachweisen zu können.

Wer kann eine Abmahnung aussprechen?

Eine Abmahnung kann vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgesprochen werden.

  • Abmahnungsberechtigt auf Arbeitgeberseite ist nicht nur der Arbeitgeber selbst oder die zum Ausspruch einer Kündigung berechtigte Person. Es sind auch Personen, die verbindliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem abzumahnenden Arbeitnehmer haben.
  • Abmahnung durch Arbeitnehmer kommt in der Praxis äußerst selten vor. Der Arbeitnehmer kann aber selbst eine Abmahnung aussprechen oder durch einen Bevollmächtigten aussprechen lassen. 
Beispiele für eine (ausnahmsweise) Abmahnung durch Arbeitnehmer: Erhebliche Gehaltsrückstände. Bevor Arbeitnehmer zu drastischen Maßnahmen wie Kündigung greifen und eventuell Schadensersatz nach § 628 BGB geltend machen, sollten sie dem Arbeitgeber mittels Abmahnung als milderes Mittel die Möglichkeit geben, sein Verhalten entsprechend anzupassen und somit die Kündigung zu vermeiden.

Rolle einer Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzprozess?

Die Abmahnung ist beispielsweise Voraussetzung für eine wirksame, verhaltensbedingte Kündigung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist eine Kündigung nur dann wirksam, wenn es keine anderen geeigneten milderen Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Die Abmahnung ist ein solches milderes Mittel. 

Ausnahmen: Die Abmahnung ist nur in wenigen Ausnahmefällen entbehrlich, wenn 

  • Entweder eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder 
  • Es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (z. B. bei Straftaten und ähnlich schweren Verstößen).

Die Gerichte berücksichtigen bei der Frage, ob eine Kündigung wirksam ist, auch die Anzahl der Abmahnungen sowie die Schwere und Häufigkeit der darin enthaltenen Pflichtverstöße. 

Achtung – auch “Abmahnungsgründe” kann man verbrauchen:  Mahnt z.B. der Arbeitgeber einen konkreten vertraglichen Verstoß ab, so kann dieser Verstoß nicht mehr für einen späteren Kündigungsgrund genutzt werden. Die Abmahnung ist “verbraucht”. 
Beispiel: Eine Arbeitnehmerin kommt im Januar 2025 mehrfach zu spät zur Arbeit. Sie erhält aufgrund dieser Verstöße Anfang Februar eine Abmahnung. Im März kündigt der Arbeitgeber auf Grund der Verspätungen im Januar verhaltensbedingt. Das geht nicht. Denn die Kündigung kann sich nicht mehr auf die abgemahnten Verstöße im Januar 2025 stützen, sondern nur auf darauf folgende Verstöße.

Wie sollte man als Arbeitnehmer auf eine Abmahnung reagieren?

Wenn ein Arbeitnehmer eine Abmahnung erhalten hat, gibt es verschiedene Wege, darauf zu reagieren. Dabei sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die Abmahnung in der Praxis häufig die Kündigung vorbereitet.  

Hier einige mögliche Vorgehensweisen:

  1. Anwalt konsultieren:  Vor allem, wenn Sie rechtsschutzversichert sind, ist das ein No-Brainer. Reden Sie mit einem Anwalt für Arbeitsrecht und diskutieren Sie mit ihm, wie Sie am sinnvollsten gegen die Abmahnung vorgehen.
  2. Rechtsschutzversicherung abschließen:  Wenn Sie noch keine Rechtschutzversicherung haben, ist jetzt wahrscheinlich ein ganz günstiger Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Wie gesagt, die Abmahnung bereitet in der Praxis häufig die Kündigung vor.  und wenn die Kündigung kommt, wollen Sie aus der Sperrzeit der RSV raus sein (i.d.R. 3 oder 6 Monate):  
  3. Gegendarstellung verfassen: Sollte ein Gespräch keine Klärung bringen, besteht das Recht, eine Gegendarstellung zu verfassen, die dann in der Personalakte vermerkt wird. Hier kann der Arbeitnehmer seine Perspektive und mögliche Entlastungsgründe anführen, die später bei juristischen Auseinandersetzungen eine Rolle spielen könnten.
  4. Abmahnung akzeptieren: Nur, wenn das Fehlverhalten absolut nachvollziehbar und schwerwiegend war und zweifellos “berechtigt” abgemahnt wurde, kann es angebracht sein, die Abmahnung zu akzeptieren. Wichtig ist es dann, Wiederholungen zu vermeiden.
  5. Rechtliche Schritte erwägen (Klage): Sofern der Arbeitgeber die Abmahnung nicht freiwillig aus der Personalakte entfernt, können Sie gerichtliche Schritte erwägen. Ziel ist die Entfernung der unwirksamen Abmahnung.  Bevor sich der Arbeitnehmer aber dafür entscheidet, ist es empfehlenswert, mit einem Rechtsanwalt zu sprechen. Solche Verfahren können eine Belastung für das laufende Arbeitsverhältnis sein. 
  6. Gespräch suchen: Natürlich können Sie auch ein direktes Gespräch mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung zu suchen. Hier können Sie Ihre Sicht der Dinge darlegen, eventuelle Missverständnisse klären und die Entfernung der Abmahnung aus Ihrer Personalakte ansprechen. Wenn ein Betriebs- oder Personalrat vorhanden ist, kann dieser auch kontaktiert werden, da er unterstützen und vermitteln kann. Probieren kann man auch das.

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