Arbeitslosengeld bei Aufhebungsvertrag – Sperrzeiten vermeiden!

  • Timo Sauer
  • 11. Oktober 2023
  • 14:09
Arbeitslosengeld bei Aufhebungsvertrag: Wie ist die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu umgehen

Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag abschließen wollen, sollten sich vor Vertragsschluss auch über mögliche Konsequenzen für ihr Arbeitslosengeld informieren. Denn der Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne „wichtigen Grund“ kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen. Details zum Katalog der “wichtigen Gründe” und generell zum Arbeitslosengeld bei Aufhebungsvertrag erfahren Sie im folgenden Artikel.

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Aufhebungsvertrag als Alternative zur Kündigung

Wenn Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Ihnen beenden will, kann er Ihnen einen Aufhebungsvertrag anbieten, anstatt Sie zu kündigen. Auf den ersten Blick erscheint das attraktiv. Bei näherer Betrachtung können sich hinter diesem Angebot aber unerwartete Nachteile verbergen. In diesem Artikel zeigen wir auf, welche Punkte Sie als Arbeitnehmer bei einem Aufhebungsvertrag unbedingt beachten sollte. Und wie Sie eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld (ALG) verhindern können.

Gesetzliche Voraussetzungen einer “Sperrzeit”

Wenn Sie in Deutschland Ihren Job verlieren, haben Sie in den meisten Fällen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es gibt jedoch Situationen, in denen Sie zwar arbeitslos sind, jedoch von der Agentur für Arbeit zunächst kein Geld erhalten, da Sie in diesem Fall “gesperrt” sind.  Der Anspruch auf Arbeitslosengeld “ruht” für die Dauer einer Sperrzeit, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, nämlich dass: 

  • der Arbeitnehmer sich „versicherungswidrig“ verhält und
  • es hierfür keinenwichtigen Grund“ gibt. 

Ein Arbeitnehmer verhält sich „versicherungswidrig“, wenn er das Beschäftigungsverhältnis löst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass dafür gegeben hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Das wird in der Regel vorliegen, so dass es meist auf das Vorliegen eines “wichtigen Grunds” ankommt (dazu unten). Zweck dieser Regelung ist es, die Gemeinschaft der Versicherten gegen Risikofälle (Arbeitslosigkeit) zu schützen, wenn der versicherte Arbeitnehmer den Eintritt der Arbeitslosigkeit selbst zu vertreten hat. Was oft dazu führt, dass es für den Arbeitnehmer zunächst kein Arbeitslosengeld bei Aufhebungsvertrag gibt.

Dabei ist die Sperre ein häufig von der BA genutztes Instrument: Allein im November 2024 hat die BA fast 70.000 Sperren verhängt.

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Sind Voraussetzungen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegeben?

Versicherungswidriges Verhalten liegt bei Aufhebungsvertrag meist vor

Die erste Voraussetzung eines „versicherungswidrigen Verhaltens“ ist meist erfüllt, wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließt. Denn in diesem Fall setzt er durch sein Verhalten, d.h. durch seine Zustimmung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages, eine Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Es ist insofern für das erste Merkmal unerheblich, wer die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages ergriffen hat. 

(Kein) Vorliegen eines wichtigen Grundes

Die zweite Voraussetzung eines „wichtigen Grundes“ ist etwas komplizierter zu beantworten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat hierzu im Jahr 2017 eine Geschäftsanweisung (also eine BA-interne verbindliche Regelung) erlassen. Diese ist immer noch gültig. Sie gibt konkrete Entscheidungshilfen, wann ein Arbeitnehmer einen „wichtigen Grund“ hat, also wann er ohne Verhängung einer Sperrzeit einen Aufhebungsvertrag abschließen darf. Danach liegt ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor (159.1.2.1.1), wenn:

  • eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden ist,
  • die drohende Arbeitgeberkündigung auf betriebliche oder personenbezogene (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt würde,
  • die Arbeitgeberkündigung zu demselben Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis geendet hat, oder früher wirksam geworden wäre (bei einvernehmlicher bezahlter Freistellung ist das Ende des Arbeitsverhältnisses maßgebend),
  • im Falle der Arbeitgeberkündigung die Kündigungsfrist eingehalten würde,
  • der Arbeitnehmer nicht unkündbar war und 
  • eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung kommt es dabei nicht an.
Weitere “wichtige Gründe”

Ein wichtiger Grund liegt auch dann vor, wenn

  • die Punkte 1 bis 5 oben vorliegen und 
  • der Arbeitslose objektive Nachteile aus einer arbeitgeberseitigen Kündigung für sein berufliches Fortkommen vermieden hat oder
  • der Arbeitslose sonstige Gründe darlegt, aufgrund derer er objektiv Nachteile aus einer Arbeitgeber Kündigung befürchten musste. Solche Gründe können z. B. ansonsten entgangene Vergünstigungen sein, auf die im Falle der Kündigung kein Anspruch bestanden hätte. Dazu gehören Abfindungen, die höher sind als 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr und auf die ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages kein Anspruch bestanden hätte. 

Bei den beiden vorherigen Punkten kommt es auf die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung an.

Wichtige Gründe in Sonderfällen

Weitere “wichtige Gründe” liegen vor, wenn: 

  • ein Arbeitnehmer zur Vermeidung einer fristgemäßen personenbedingten Kündigung das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag ohne Abfindung zum gleichen Zeitpunkt beendet hat.
  • ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat, um im Rahmen eines Sozialplans in ein (befristetes) Beschäftigungsverhältnis zu wechseln. Dieses muss bei einer Transfergesellschaft sein, die nach § 111 Sozialgesetzbuch III (Transferkurzarbeitergeld) gefördert wird. Voraussetzung ist dafür, dass 1. durch die Folgebeschäftigung die Arbeitslosigkeit nicht früher eintritt als bei der unabwendbaren Kündigung.
    2. der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag schließt, um aus einer mit Transferkurzarbeitergeld geförderten Beschäftigung in eine selbständige Tätigkeit mit Gründungszuschuss zu wechseln. Und 3. die Dauer der herbeigeführten Arbeitslosigkeit unvermeidbar ist. 

Tipp: Es gibt also zahlreiche Ausnahmen von der “Sperre”: Bevor Sie also einen Aufhebungsvertrag ohne Anschlussbeschäftigung unterzeichnen, sollten Sie die Auswirkungen auf Ihr Arbeitslosengeld mit Ihrem Anwalt oder der BA klären. Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber über einen Aufhebungsvertrag verhandeln, lassen Sie sich den Entwurf des Aufhebungsvertrags geben und besprechen Sie diesen mit mit Ihrem Anwalt oder der BA. Ihr Anwalt oder der zuständige Sachbearbeiteter bei der BA sollte den Entwurf prüfen und Ihnen mitteilen, ob mit einer Sperrzeit zu rechnen ist. Würde die BA aufgrund des vorgelegten Entwurfs zu Recht eine Sperrzeit verhängen, sollten Sie in jedem Fall den Aufhebungsvertrag vor Unterzeichnung neu verhandeln oder auf eine Kündigung durch den Arbeitgeber warten.

FAQs zum Arbeitslosengeld bei Aufhebungsvertrag

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Musterwiderspruch gegen eine Sperrzeit

Verhängt das BA trotz Vorliegen eines “wichtigen Grundes” eine Sperre, kann man gegen den Bescheid Widerspruch einlegen, § 83 Sozialgerichtsgesetz. Ist dieser erfolglos, kommt auch eine Klage beim Sozialgericht eingereicht werden, § 87 Sozialgerichtsgesetz. Es besteht hier zwar kein Anwaltszwang (§ 73 Sozialgerichtsgesetz). Jedoch ist die Beratung durch einen Anwalt unbedingt empfehlenswert.

Einen Musterwiderspruch – dessen Begründung Sie unbedingt noch anpassen müssten! – können Sie hier übernehmen: 

Per Einschreiben

Bundesagentur für Arbeit 

 _____________ (Ort)

_____________ (Anschrift)

Arbeitslosengeld (Geschäftszeichen: _____________)

Widerspruch gegen Bewilligungs- und Sperrzeitbescheid vom _____________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der oben genannten Angelegenheit legen wir gegen den Bescheid vom _____________ (Geschäftszeichen: _____________, Bewilligungs- sowie Sperrzeitbescheid)

Widerspruch ein.

Begründung:

Der Sperrzeitbescheid ist rechtswidrig und aufzuheben, da die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III nicht gegeben sind. Damit fehlt es auch an einer Grundlage für die Kürzung der Anspruchsdauer.

Die Verhängung einer Sperrzeit durfte vorliegend nicht erfolgen, da ich für die Beteiligung an der Lösung meines Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund i.S.d. § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III hatte:

▪ Die Kündigung ist durch die Arbeitgeberin mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden und wäre auch aus betriebsbedingten Gründen erfolgt (siehe § 1 des als Anlage Ast. 1 beigefügten Aufhebungsvertrages).

▪ Die Kündigung hätte das Arbeitsverhältnis zum gleichen Zeitpunkt beendet und die dabei einzuhaltende Kündigungsfrist wurde auch durch den Aufhebungsvertrag eingehalten (siehe ebenfalls § 1 des bereits als Anlage Ast. 1 beigefügten Aufhebungsvertrages sowie § 12 des als Anlage Ast. 2 beigefügten Arbeitsvertrages i.V.m. § 622 BGB).

Für die Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III sowie für die Kürzung der Anspruchsdauer ist demnach kein Raum. Der Sperrzeitbescheid ist dementsprechend aufzuheben und der Bewilligungsbescheid entsprechend abzuändern, da ich Anspruch auf ungekürzte Gewährung von Arbeitslosengeld habe.

Mit freundlichen Grüßen


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