Betriebsvereinbarungen erklärt: Von Arbeitszeit bis Homeoffice

  • Andrea von Zelewski
  • 19. Februar 2025
  • 18:17

Bestehen Streitigkeiten über Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis, schaut man zunächst einmal in den Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag. Aber auch Betriebsvereinbarungen können wichtige zusätzliche Rechte begründen. Dieser Beitrag erläutert Fragen rund um die Betriebsvereinbarung: was ist eine Betriebsvereinbarung, welche Arten gibt es, was kann sie regeln und was nicht, welche Vorteile hat der einzelne Arbeitnehmer aus der Betriebsvereinbarung und Einiges mehr.

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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Eine Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, der Fragen des Arbeitsentgelts, Arbeitsbedingungen und Fragen der betrieblichen Ordnung regeln kann.
  • Wirksamkeit: Eine Betriebsvereinbarung muss schriftlich abgefasst und von beiden Seiten unterzeichnet sein. Inhaltlich dürfen die Betriebsparteien ihre Zuständigkeiten im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) nicht überschreiten und keine Regelungen treffen, die bereits in einem Tarifvertrag enthalten sind.
  • Wirkung: Eine Betriebsvereinbarung wirkt unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis, d.h. Rechte und Pflichten werden automatisch Bestandteil des Arbeitsvertrages. 
  • Verzicht auf Rechte: Hat ein Arbeitnehmer Rechte aus einer Betriebsvereinbarung, so kann der Arbeitnehmer nur mit Zustimmung des Betriebsrats wirksam auf diese verzichten. Hat der Betriebsrat dem Verzicht nicht ausdrücklich zugestimmt, ist der Verzicht unwirksam und der Anspruch besteht weiter.

Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung

Eine Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber auf betrieblicher Ebene. Was Betriebsräte und Arbeitgeber (Betriebsparteien) regeln dürfen und welche Auswirkung dies auf die Arbeitsverhältnisse im Betrieb hat, ergibt sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Verfahren

Wollen Arbeitgeber oder Betriebsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeit bestimmte Punkte verbindlich regeln, z.B. eine Regelung zur Anordnung von Überstunden wegen einer erhöhten Auftragslage, so treten beide Seiten zunächst in Verhandlungen ein:

  • Kommt eine Einigung zustande, schließen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung ab. 
  • Kommt keine Einigung zustande, kann eine betriebliche Einigungsstelle angerufen werden. Die Einigungsstelle setzt sich aus Vertretern des Betriebsrates und des Arbeitgebers zusammen. Ein Vorsitzender, der von außerhalb des Betriebes kommt, leitet die Verhandlung. Die Aufgabe der Einigungsstelle ist es, eine Einigung durch die Vermittlung des Vorsitzenden zu erzielen. Gelingt dies dem Vorsitzenden nicht, so kann er in bestimmten Fällen durch einen Spruch der Einigungsstelle die Regelung erzwingen. Das Ergebnis ist eine verbindliche Betriebsvereinbarung.
Formvorschriften

Für das Zustandekommen einer wirksamen Betriebsvereinbarung muss Folgendes beachtet werden:

  • Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich abzufassen. 
  • Sie ist von beiden Seiten zu unterzeichnen. Ausnahme: Einigungsstelle hat durch Spruch entschieden. 
  • Arbeitgeber und Betriebsrat müssen dasselbe Dokument elektronisch signieren, wenn die Vereinbarung in elektronischer Form geschlossen wird.
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Wirkung einer Betriebsvereinbarung auf Arbeitsverhältnisse

Ist eine Betriebsvereinbarung wirksam abgeschlossen, gilt sie unmittelbar und zwingend (§ 77 BetrVG). 

Die Rechte und Pflichten aus der Betriebsvereinbarung werden automatisch Bestandteil des Arbeitsvertrages. Sie gelten für alle Arbeitnehmer, die in den Anwendungsbereich der Vereinbarung fallen. Beispiel: Eine Betriebsvereinbarung ordnet Überstunden für eine bestimmte Betriebsabteilung an. Sind die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, hat der Arbeitnehmer die Pflicht, Überstunden zu leisten, und das Recht auf den vereinbarten Freizeitausgleich oder die vereinbarte zusätzliche Vergütung.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind an die Betriebsvereinbarung gebunden, können jedoch im Arbeitsvertrag günstigere Regelungen treffen.

Praxistipp: Sind einem Arbeitnehmer Rechte aus einer Betriebsvereinbarung (z.B. freiwillige übertarifliche Zahlungen des Arbeitgebers) entstanden, so ist vor allem bei Aufhebungsverträgen oder gerichtlichen Vergleichen zugunsten des Arbeitnehmers Folgendes zu beachten:

Verzicht: Ein Arbeitnehmer kann auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung nur mit Zustimmung des Betriebsrats wirksam verzichten (§ 77 Absatz 4 BetrVG). Hat der Betriebsrat dem Verzicht nicht ausdrücklich zugestimmt, so ist der Verzicht unwirksam. Der Anspruch besteht weiter.
Ausschlussfristen für solche Ansprüche sind nur zulässig, wenn sie im Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sind. Sind die Ausschlussfristen nur im Arbeitsvertrag geregelt, so kann der Anspruch aus der Betriebsvereinbarung auch nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden.
Verwirkung: Gibt es keine wirksamen Ausschlussfristen und macht der Arbeitnehmer Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung verspätet geltend, so kann sich der Arbeitgeber nicht auf eine Verwirkung (Verfall der Rechte wegen zu später Geltendmachung) berufen. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen (§ 77 Absatz 4 BetrVG). 

Inhalte einer Betriebsvereinbarung

Betriebsrat und Arbeitgeber können in einer Betriebsvereinbarung Fragen des Arbeitsentgelts, sonstige Arbeitsbedingungen sowie Fragen der betrieblichen Ordnung regeln. 

Einschränkung: Regelt ein Tarifvertrag bestimmte Punkte dürfen die Betriebsparteien keine Betriebsvereinbarung abschließen (Regelungssperre in § 77 Absatz 3 BetrVG). Die Tarifvertragsparteien haben Vorrang. Erlaubt ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen (Öffnungsklauseln), so dürfen die Betriebsparteien nur in diesem erlaubten Rahmen Regelungen treffen.

Betriebsvereinbarungen können vielfältige Inhalte haben. Hier nur eine Reihe der wichtigsten Beispiele: 

  • Fragen der betrieblichen Ordnung: Eingangs- und Ausgangskontrollen im Betrieb, Mail- und Internet bei Privatnutzung, Vorschriften zur Arbeitskleidung etc.
  • Verteilung der Arbeitszeit: Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausen, Verteilung auf einzelne Tage, Gleitzeit, Rufbereitschaft etc. Nicht: die Arbeitsdauer.
  • vorübergehende Verkürzung/Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit: Anordnung von Überstunden, Einführung von Kurzarbeit.
  • Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen: Aufteilung des Urlaubsanspruchs, Verteilung, Sperrzeiten für gewisse Zeiten, Kriterien wie Familie und schulpflichtige Kinder, Betriebsferien etc.
  • Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die Verhalten/Leistung überwachen: digitale/maschinelle Arbeitszeiterfassung, Fahrtenschreiber, Videokameras, Datenverarbeitungssysteme, Ortungsapps im Dienstwagen, Standard-Internetprogramme mit Überwachungskomponenten etc.
  • Fragen der betrieblichen Lohngestaltung: Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und Entlohnungsmethoden, wie z.B. Zeitlohn- oder Prämienlohn, Akkordlohnsystem oder Verteilungsgrundsätze zu übertariflichen freiwilligen Leistungen. Der Arbeitgeber entscheidet alleine, ob eine Leistung erbracht wird.
  • Ausgestaltung von mobiler Arbeit: Regelungen, wie und wo Home-Office oder Remote-Arbeit geleistet werden kann, wie die Zuteilung der Arbeitsmittel aussieht etc. Der Arbeitgeber kann aber alleine entscheiden, ob Arbeit im Home-Office oder Remote Arbeit geleistet werden darf. Der Betriebsrat kann keine Regelung zum “Ob” erzwingen. Die Betriebsparteien können nur Regelungen treffen, wenn der Arbeitgeber sich entschieden hat, Home-Office oder Remote Arbeit einzuführen.
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Betriebsvereinbarung und andere Regelungen

Neben Betriebsvereinbarungen gibt es auch sogenannte Regelungsabreden:  

  • Sie sind verbindliche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die nicht der Schriftform unterliegen.
  • Sie wirken nicht unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis.

Tarifverträge haben Vorrang. Während die Betriebsvereinbarung eine vertragliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ist, ist der Tarifvertrag ein Vertrag zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber/Arbeitgeberverbänden.  Sind bestimmte Punkte in einem Tarifvertrag bereits geregelt oder üblicherweise geregelt,  so dürfen die Betriebsparteien keine Regelungen zu den gleichen Punkten abschließen (Regelungssperre, § 77 Absatz 3 BetrVG). 

Ausnahmen:

  • Die Tarifvertragsparteien erlauben im Tarifvertrag eine Regelung der Betriebsparteien (Öffnungsklausel).
  • Sozialpläne sind Betriebsvereinbarungen zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile bei betriebsbedingten Kündigungen oder sonstigen Maßnahmen bei Betriebsänderungen. Der Sozialplan unterliegt nicht der Sperrwirkung eines Tarifvertrags (§ 112 Absatz 1 BetrVG). Betriebsparteien dürfen Punkte im Sozialplan regeln, auch wenn sie bereits im Tarifvertrag geregelt sind.

Arten von Betriebsvereinbarungen

Es gibt erzwingbare und freiwillige Betriebsvereinbarungen. Hier die Unterschiede:

Erzwingbare Betriebsvereinbarungen

Das BetrVG regelt eine Reihe von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates, die zwingend zu beachten sind. Beispiele: Einführung von Kurzarbeit oder Überstunden, Verteilung der täglichen Arbeitszeit etc.: 

  • Einigen sich die Betriebsparteien bei solchen Themen nicht, wird eine betriebliche Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. 
  • Die Einigungsstelle kann die Angelegenheit durch einen einseitigen verbindlichen Spruch beenden.
  • Bei Kündigung einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung gilt eine Nachwirkung. Das bedeutet: Die Vereinbarung gilt auch nach Ablauf der Kündigungsfrist weiter bis die Betriebsparteien eine neue Vereinbarung abschließen. Grund: Es soll keine Regelungslücke in der Übergangszeit entstehen.
Freiwillige Betriebsvereinbarungen 

Neben den zwingenden Mitbestimmungsrechten können die Betriebsparteien auch in anderen Angelegenheiten Betriebsvereinbarungen auf freiwilliger Basis schließen, solange keine tarifliche Regelung dazu besteht. Beispiele: Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes, Errichtung von Sozialeinrichtungen, Regelungen über freiwillige Sozialleistungen (Gratifikationen, Treueprämien) etc.:

  • Einigen sich die Betriebsparteien bei freiwilligen Themen nicht, kann eine betriebliche Einigungsstelle nur mit beiderseitigem Einverständnis tätig werden. 
  • Die Einigungsstelle kann die Streitigkeit nicht einseitig durch einen Spruch beenden. Beide Seiten müssen im Voraus oder nachträglich einen Spruch akzeptieren.
  • Bei Kündigung einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gibt es keine Nachwirkung. Sie läuft mit Ablauf der Kündigungsfrist ab. Die Betriebsparteien können aber eine Nachwirkung vereinbaren (§ 77 Absatz 6 BetrVG). 

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Beendigung einer Betriebsvereinbarung

Arbeitgeber oder Betriebsrat können eine Betriebsvereinbarung mit einer Frist von drei Monaten kündigen. Sie können aber auch etwas Abweichendes regeln. Die Betriebsparteien können auch eine neue Vereinbarung abschließen, welche die alte dann ablöst. Eine Betriebsvereinbarung kann auch durch Ablauf einer Zeit oder Zweckerreichung beendet werden.

Streitigkeiten

Streiten sich Betriebsrat und Arbeitgeber über das Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung oder deren Inhalt, kann eine der Parteien beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren zur Klärung einleiten.

Streiten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Ansprüche, die sich aus der Betriebsvereinbarung ergeben (Zahlungsansprüche freiwilliger Leistungen etc.) kann der Arbeitnehmer eine Klage beim Arbeitsgericht zur Klärung einreichen. 

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

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