Rolle des Integrationsamts bei Kündigungen

Integrationsamt bei Kündigungen

Will ein Arbeitgeber einen schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen, muss er vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts einholen. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung eines Arbeitnehmers mit Schwerbehinderung unwirksam. In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die Rolle des Integrationsamtes bei Kündigungen sowie unter welchen Voraussetzungen das Integrationsamt seine Zustimmung erteilt oder ablehnt und wie sich ein Arbeitnehmer gegen die Entscheidung des Integrationsamtes wehren kann.

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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Zustimmung vor Kündigung: Will ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer kündigen, muss er vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. 
  • Hauptaufgabe des Integrationsamts bei Kündigungen: Es hat sämtliche Aspekte der besonderen Schutzbedürftigkeit aufgrund einer Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Es erfolgt keine arbeitsrechtliche Vorprüfung.
  • Zustimmung: Das Integrationsamt kann einer Kündigung zustimmen, wenn nach seiner Auffassung die Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers berücksichtigt wurden, aber die Interessen des Arbeitgebers überwiegen. 
  • Keine Zustimmung: Erteilt das Integrationsamt keine Zustimmung, kann der Arbeitgeber nicht wirksam kündigen. Kündigt er dennoch, muss ein Arbeitnehmer innerhalb der Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage einreichen. 
  • Rechtsmittel: Gegen die Entscheidung des Integrationsamts kann Widerspruch und danach Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht werden.

Aufgabe des Integrationsamts

Das Integrationsamt ist eine Behörde, die für die Rechte schwerbehinderter Menschen oder Gleichgestellten zuständig ist. Dazu gehört u. a. der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer.

Will ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer bzw. einem gleichgestellten behinderten Arbeitnehmer kündigen, muss er vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einholen (§ 168 SGB IX). Dies gilt für alle ordentlichen, außerordentlichen Kündigungen sowie Änderungskündigungen.

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Rolle des Integrationsamts bei Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. Welche Arbeitnehmer diesen besonderen Kündigungsschutz genießen, welche Ausnahmen bestehen und wie sich ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes wehren kann, erfahren Sie in unserem Beitrag „Besonderer Kündigungsschutz für Schwerbehinderte”.

Die Hauptaufgabe des Integrationsamts bei Kündigungen ist es, 

  • sämtliche Aspekte der besonderen Schutzbedürftigkeit eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu prüfen, 
  • alle behinderungsbedingten Nachteile zu berücksichtigen, 
  • die beiderseitigen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmer abzuwägen, 
  • möglichst zumutbare und einvernehmliche Lösungen anzustreben und
  • keine arbeitsrechtliche Prüfung vorzunehmen.

Was macht das Integrationsamt bei Kündigungen?

Das Integrationsamt wird nur tätig, wenn ein Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung vorliegt. 

Nach Antragstellung hat das Integrationsamt den Sachverhalt zu ermitteln: 

  • Es holt Stellungsnahmen beim Betriebsrat oder Personalrat sowie der Schwerbehindertenvertretung ein. Der Arbeitgeber kann die Stellungnahmen schon bei Antragstellung vorlegen. Grund: Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kennen die Situation vor Ort am besten. Sie können Information geben und praktisch umsetzbare Lösungsvorschläge im Betrieb vorlegen.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden angehört.
  • Es können weitere Fachleute hinzugezogen werden. Dazu gehört auch der technische Beratungsdienst des Integrationsamtes, wenn es z. B. um Fragen der Gestaltung des Arbeitsplatzes etc. geht.

Nach Ermittlung des Sachverhaltes muss das Integrationsamt gemeinsame Gespräche mit den Beteiligten führen. Dies kann unter Leitung des Integrationsamtes auch im Betrieb stattfinden. Hinweis: Bei solchen Gesprächen ist es für den betroffenen Arbeitnehmer immer empfehlenswert, eine Unterstützung hinzuzuziehen. Dies kann je nach persönlicher Situation ein Betriebsratsmitglied, eine Vertretung eines Behindertenverbandes, eine Gewerkschaft oder ein Rechtsanwalt sein.

Die Aufgabe des Integrationsamts ist es, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Ist eine Einigung nicht möglich, muss das Integrationsamt bei einer ordentlichen Kündigung innerhalb eines Monats schriftlich entscheiden. Nur in Ausnahmefällen darf das Intergrationsamt die Monatsfrist überschritten. Bei einer außerordentlichen Kündigung muss es innerhalb von 2 Wochen entscheiden. Ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt.

Die Entscheidung muss dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugestellt werden. Nach Zustellung kann der Arbeitgeber nur innerhalb eines Monats ordentlich kündigen, d. h. die Kündigung muss dem Arbeitnehmer innerhalb dieser Zeit zugegangen sein. Verstreicht die Frist, muss der Arbeitgeber erneut einen Antrag stellen. Hinweis: Eine zu spät ausgesprochene Kündigung erfolgt ohne Zustimmung und ist  daher unwirksam.

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Zustimmung des Integrationsamtes

Das Integrationsamt entscheidet nach “pflichtgemäßen Ermessen„. Das bedeutet: Die Behörde hat einen Entscheidungsspielraum, muss aber gesetzliche Vorgaben einhalten (z. B. Beachtung der besonderen Schutzbedürfnisse des schwerbehinderten Arbeitnehmers), sachliche Entscheidungen treffen und die besonderen Umstände des Einzelfalls ausreichend berücksichtigen. 

Eine Zustimmung wird daher erteilt, wenn nach der Prüfung des Sachverhalts die besonderen Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers berücksichtigt wurden, aber die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. 

Ausnahme: In drei Fällen ist die Zustimmung zu erteilen, wenn 

  • dem schwerbehinderten Arbeitnehmer ein angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz im gleichen Betrieb des Arbeitgebers angeboten wird und der Arbeitnehmer zustimmt. Dies setzt die Zusage eines neuen Arbeitsvertrages voraus.
  • der Betrieb geschlossen wird und mindestens 3 Monate zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag der letzten Arbeitsvergütung liegen.
  • ein Insolvenzverfahren eröffnet ist und der schwerbehinderte Arbeitnehmer u. a. in einem Interessenausgleich in der Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich genannt ist.

Zustimmung bei krankheitsbedingter Kündigung

Bei einer personenbedingten Kündigung prüft das Integrationsamt ausschließlich Aspekte der Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers aufgrund seiner Schwerbehinderung. Es darf nicht die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung überprüfen. Hier einige Beispiele:

  • Was sind die Hintergründe für die personenbedingte Kündigung?
  • Haben die Kündigungsgründe einen Bezug zur Schwerbehinderung?
  • Wenn ja, welcher Bezug besteht und welche Lösungen gibt es?
  • Ist der Arbeitnehmer gesundheitlich für die Arbeit noch geeignet?
  • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer gesundheitlichen Besserung?
  • Wie sehen die Interessen des Arbeitgebers aus: Gibt es betriebliche Ablaufstörungen oder erhebliche wirtschaftliche Nachteile? 
  • Hat der Arbeitgeber alle zumutbaren und wirtschaftlich vertretbaren Möglichkeiten – unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung – ausgeschöpft?
  • Gibt es behinderungsgerechte Möglichkeiten zur Vermeidung der Kündigung?
  • Gibt es geeignete und gleichwertige freie Arbeitsplätze?
  • Hat der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt? 

Ob eine Zustimmung erteilt wird, hängt vom Einzelfall ab:

  • Überwiegen die Interessen des Arbeitnehmers, z. B. gibt es Alternativen (Versetzungen, zumutbare Umgestaltung des Arbeitsplatzes, baldige Verbesserung des Gesundheitszustands etc.) wird eine Zustimmung wohl eher nicht erteilt.
  • Ist dagegen der Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung und/oder Schwerbehinderung nicht mehr in der Lage, seine Arbeit oder eine andere zumutbare Arbeit zu erbringen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung deutlich höher.
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Zustimmung bei betriebsbedingter Kündigung

Auch bei einer betriebsbedingten Kündigung prüft das Integrationsamt keine arbeitsrechtlichen Aspekte, sondern nur Aspekte der besonderen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers:

  • Das Gesetz regelt, dass bei einer Betriebsstilllegung die Zustimmung zu erteilen ist. Das Integrationsamt kann aber dennoch die Hintergründe prüfen, ob z. B. eine Betriebsschließung tatsächlich erfolgt. 
  • Auch, wenn kein Bezug zwischen der betriebsbedingten Kündigung und der Schwerbehinderung (z. B. es werden nicht alle, aber eine große Anzahl weiterer Arbeitnehmer gekündigt) besteht, muss das Integrationsamt prüfen, ob besondere Aspekte der Schwerbehinderung berücksichtigt werden können. Wenn nicht, ist die Erteilung einer Zustimmung zu erwarten.
  • Ist ein Bezug zwischen betriebsbedingter Kündigung und Schwerbehinderung gegeben, so muss das Integrationsamt prüfen, wie im Einzelfall die Schutzinteressen des schwerbehinderten Arbeitnehmers berücksichtigt werden können, um eine Kündigung zu vermeiden. Beispiel: Eine Betriebsabteilung wird verlagert. Eine Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer ist möglich, nicht aber die des Schwerbehinderten, da der neue Standort aufgrund der Behinderung und des Wohnortes zu schwer zu erreichen ist.
  • Gibt es eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im selben Betriebes?
  • Gibt es freie Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers? Ist dies persönlich und wirtschaftlich zumutbar? 
  • Welche weiteren Alternativen gibt es?

Ob das Integrationsamt bei betriebsbedingter Kündigung seine Zustimmung erteilt, hängt auch hier von allen Umständen des Einzelfalls ab.

Zustimmung bei verhaltensbedingter Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert zunächst ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Das Integrationsamt hat aber dennoch die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers in Bezug auf die Schwerbehinderung zu prüfen, so z. B:

  • Was sind die Hintergründe der verhaltensbedingten Kündigung?
  • Welches Fehlverhalten liegt tatsächlich vor? Wie sind die Umstände des Einzelfalls? 
  • Ist die betroffene Person allein verantwortlich?
  • Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der Schwerbehinderung?
  • Gibt es andere Lösungen, um eine Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu vermeiden? Sind die Alternativen persönlich oder wirtschaftlich zumutbar? 

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Integrationsamt kann Zustimmung verweigern 

Das Integrationsamt erteilt keine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung, wenn nach Auffassung des Integrationsamts die Interessen des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

Erteilt das Integrationsamt keine Zustimmung, dann:

  • kann der Arbeitgeber nicht kündigen
  • Kündigt der Arbeitgeber trotzdem, ist die Kündigung allein wegen der fehlenden Zustimmung unwirksam
  • Hinweis: Trotz offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung muss der Arbeitnehmer dennoch eine Kündigungsschutzklage innerhalb der Dreiwochenfrist einreichen. Verstreicht die Frist, so gilt die Kündigung als wirksam! 

Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Integrationsamtes

Bei Zustimmungserteilung darf der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann zwar gegen diese Zustimmung Widerspruch und danach Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Jedoch bleibt die einmal erteilte Zustimmung wirksam, bis sie rechtskräftig (d. h. endgültig und verbindlich) aufgehoben wurde. Dies kann entweder durch die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht erfolgen.

Wird die Zustimmung verweigert, kann der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen. Der Arbeitgeber kann gegen die Entscheidung des Integrationsamts Widerspruch und danach Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Das kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Und selbst dann, wenn das Verwaltungsgericht zu Gunsten des Arbeitgebers das Integrationsamt zur Zustimmung verurteilt, kann der Arbeitgeber erst dann die Kündigung aussprechen, wenn das Integrationsamt nach dem Gerichtsurteil tatsächlich seine Zustimmung ausdrücklich erteilt.

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Entscheidung des Integrationsamts und Abfindung

Eine Abfindung aufgrund freiwilliger Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ist im Wesentlichen vom Prozessrisiko für Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängig. Je höher die Risiken, dass eine Kündigung unwirksam ist, je größer die Bereitschaft des Arbeitgebers, eine höhere Abfindung zu zahlen. Und umgekehrt! Will der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine Kündigung aussprechen, hat er nicht nur das Risiko, die allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes nachzuweisen, sondern muss auch das Integrationsamt von einer Zustimmung überzeugen. 

Die Entscheidung des Integrationsamts wirkt sich dabei wesentlich auf die Höhe der Abfindung aus. Ist aufgrund der individuellen Umstände eine Zustimmung höchst unwahrscheinlich, so wirkt sich dies positiv auf Abfindungsverhandlungen aus. Dies bestätigt auch die Statistik des BIH (Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter), wonach im letzten Online-Jahresbericht 2020 ca. 65% aller Anträge zur Zustimmung einer ordentlichen Kündigung ohne Entscheidung zu Ende gingen, weil Arbeitgeber ihren Antrag wegen fehlender Erfolgsaussichten oder außergerichtlicher Einigung zurückgenommen haben. 

Neben freiwilligen Verhandlungen gibt es bei betriebsbedingten Kündigungen oft auch Sozialpläne, die einen Abfindungsanspruch beinhalten. Hier wirkt sich eine Schwerbehinderung – auch unabhängig vom Integrationsamt – immer positiv auf die Abfindung aus.

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