Versetzung des Arbeitsortes: Ihre Rechte und wie Sie sich wehren können

  • Timo Sauer
  • 27. Juli 2024
  • 13:14
Versetzung Arbeitsort

Manchmal ändern Arbeitgeber durch einseitige Weisungen den Arbeitsort oder die Arbeitsaufgaben eines Arbeitnehmers. Eine solche „Versetzung“ ist aber nicht ohne Weiteres zulässig. Sie muss vom Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Arbeitgebers umfasst sein und den vertraglichen Vereinbarungen oder tariflichen Regelungen entsprechen. Sie darf nicht willkürlich sein. Auch eine Versetzung auf eine Position mit weniger Gehalt ist nicht zulässig. Der folgende Artikel erklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung erlaubt ist.

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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Eine Versetzung ist die dauerhafte (befristet oder unbefristet) einseitige Bestimmung der Arbeitsaufgaben, des Arbeitsortes und der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber.
  • Eine Versetzung ist wirksam, wenn sie innerhalb des Weisungsrechts des Arbeitgebers liegt und dem „billigem Ermessen” entspricht. Der Umfang des Weisungsrechtes bestimmt sich durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag und Gesetz.
  • Wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates einholen. 
  • Ist eine Versetzung wirksam, verändert sie den Vertragsinhalt und ist verbindlich. Meist ist das aber nicht 100% klar. Daher empfiehlt es sich, eine potenziell unwirksame Versetzung bis zu einer gerichtlichen Klärung unter Vorbehalt anzunehmen.

Was ist eine Versetzung?

Eine Versetzung ist daher eine dauerhafte (befristet oder unbefristet) einseitige Bestimmung der Arbeitsaufgaben, des Arbeitsortes und der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber. Das ergibt sich aus der Gewerbeordnung. Danach kann der Arbeitgeber den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

Was sind die Voraussetzungen einer wirksamen Versetzung?

Der Arbeitgeber kann nicht “einfach so” durch einseitige Anweisungen den Arbeitsort oder die Arbeitsaufgaben eines Arbeitnehmers ändern. Wie gerade erläutert, muss die Versetzung vom  Weisungsrecht erfasst sein und “billigem Ermessen” entsprechen. 

Weisungsrecht des Arbeitgebers

Die erste Voraussetzung einer wirksamen Versetzung: die einseitige Anweisung muss innerhalb des sogenannten Weisungsrechts (oder Direktionsrechts) des Arbeitgebers liegen:

  • Das Weisungsrecht wird inhaltlich in erster Linie durch den Arbeitsvertrag bestimmt. Der Arbeitsvertrag kann dabei nur allgemeine Tätigkeitsbeschreibungen oder konkrete Klauseln enthalten. Je spezifischer die Beschreibung in Ihrem Arbeitsvertrag erfolgt, desto enger ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Bei nur allgemeiner Tätigkeitsbeschreibung muss geklärt werden, was zu dieser konkret gehört oder nicht. Bei konkreten Versetzungsklauseln ist der Inhalt im Einzelfall konkret zu prüfen. 
  • Sofern ein Tarifvertrag oder gesetzliche Regelungen vorhanden sind, können auch diese das Weisungsrecht des Arbeitgebers eingrenzen. 
  • Das Weisungsrecht umfasst in jedem Fall nur “gleichwertige Tätigkeiten”. Was gleichwertig ist, bestimmt sich nach Tarifverträgen (z. B. Vergütungsgruppen), der Verkehrsanschauung (d.h. was versteht die Allgemeinheit darunter) oder nach dem “Sozialbild” der Tätigkeit. 

Vorliegen von “billigem Ermessen” 

Die zweite Voraussetzung einer wirksamen Versetzung: die einseitige Anweisung muss “billigem Ermessen” entsprechen.  Das ist ein komischer Ausdruck (ein “unbestimmter Rechtsbegriff”), der aber von den Gerichten umfassend konkretisiert worden ist:

  • Eine Weisung entspricht “billigem Ermessen”, wenn der Arbeitgeber die Interessen beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigt. 
  • Es müssen dabei  schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, so zum Beispiel – abhängig vom Einzelfall – der Familienstand, Alter, Gesundheitszustand, Behinderungen oder die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer. 
  • Die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers können betriebliche Belange oder anderweitige sachliche Gründe sein. 

Hinweis: Es ist bei diesem “billigem Ermessen” oft schwierig, ein Ergebnis sicher “vorherzusagen” bzw. zu beurteilen. Denn der Begriff  des “billiges Ermessen” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Arbeitsgerichte diesen im Einzelfall sehr weit oder sehr eng auslegen können. Es gibt aber eine zahlreiche Entscheidungen der Gerichte, die diesen Begriff umfassend konkretisiert haben.

Beispiele der Arbeitsgerichte
  • Versetzung bezüglich des Arbeitsortes: (1) Ist kein Arbeitsort im Vertrag festgelegt, so besteht ein weitreichendes Versetzungsrecht. (2) Ist ein Arbeitsort festgelegt, jedoch mit einer allgemeinen Versetzungsklausel, so hat der Arbeitgeber Weisungsrechte. (3) Ist ein Arbeitsort fixiert und ist aufgrund der Umstände im Einzelfall klar, dass der Arbeitnehmer nur hier eingesetzt werden soll, ist eine Versetzung nicht möglich. Dies dürfte aber selten vorkommen. So entscheiden die Gerichte großzügiger zur Möglichkeit von Versetzungen im Falle von z.B. Außendiensttätigkeiten, Bau- und Montagearbeit (bundesweit), Flugpersonal (sogar ins Ausland) etc. Entscheidend ist immer der Einzelfall und die Frage, ob die Weisung “billigem Ermessen” entspricht.
  • Versetzung bezüglich Arbeitsaufgaben: Grundregel ist, je spezifischer die Beschreibung im Arbeitsvertrag, desto enger ist das Weisungsrecht. Es ist klar, was zu der Tätigkeit “Kranführer”, “Kraftfahrer” gehört. Schwieriger wird es bei allgemeineren Bezeichnungen, wie “kaufmännische Angestellte”, “Verwaltungsangestellter”, “Sachbearbeiter”, “Produktionshelfer” etc. Entscheidend ist immer der Einzelfall und die Frage, ob die Weisung noch “billigem Ermessen” entspricht.
  • Versetzung bezüglich Arbeitszeit: Damit ist die Lage der Arbeitszeit gemeint, nicht die Dauer. Damit darf der Arbeitgeber auch keine Überstunden einseitig anweisen, da dies die Dauer der Arbeitszeit betrifft und nur vorübergehend ist. Sobald die Dauer, d.h. Verlängerung/Verkürzung der Arbeitszeit, verändert werden soll, ist diese nicht mehr vom einseitigen Weisungsrecht gedeckt. Es bedarf einer Änderungskündigung (siehe unten). Beispiele: Zuweisung neuer Schichten oder geteilte Arbeitszeiten (sofern kein Betriebsrat vorhanden ist). Entscheidend ist der Einzelfall und die Frage, ob die Weisung “billigem Ermessen” entspricht.
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Versetzung bei Bestehen eines Betriebsrats 

Wenn es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat gibt, gelten zusätzliche Regelungen:

  • Der Begriff der Versetzung ist im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gesetzlich nochmal definiert und weit gefasst: Eine Versetzung ist danach die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. 
  • In Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates einholen. Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern. In diesem Fall muss der Arbeitgeber zum Arbeitsgericht und versuchen, die Zustimmung des Betriebsrates gerichtlich einzuholen.

WICHTIG: Fehlt die Zustimmung des Betriebsrates (und wird sie gerichtlich auch nicht ersetzt), ist die Versetzung alleine aus diesem Grund unwirksam!  Wir empfehlen daher, sich bei Versetzungsthemen immer mit Ihrem Betriebsrat in Verbindung zu setzen 

Alternativen zur Versetzung

Kann der Arbeitgeber keine einseitige Versetzung aussprechen, da sie außerhalb seines Weisungsrechtes oder “billigem Ermessens” liegt, so kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Sie unterliegt jedoch weit strengeren Voraussetzungen:

  • Eine Änderungskündigung zielt nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, sondern auf das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses mit geänderten Arbeitsbedingungen.
  • Eine Änderungskündigung unterliegt wie jede andere Kündigung den gleichen strengen Voraussetzungen. Sie fällt bei Vorliegen der Voraussetzungen unter das Kündigungsschutzgesetz. Sie muss auch alle anderen allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse einer Beendigungskündigung erfüllen.  
  • Sofern ein Betriebsrat besteht, muss er zur Kündigung (§ 102 BetrVG) angehört werden und zur Versetzung im Sinne des BetrVG (§ 99 BetrVG). 

Erhalten Sie eine Änderungskündigung, können Sie Folgendes tun:

  • Sie können die Änderungskündigung annehmen: Dann besteht Ihr Arbeitsverhältnis zu veränderten Arbeitsbedingungen fort.
  • Sie können die Änderungskündigung ablehnen: Dann wird aus der Änderungskündigung eine Beendigungskündigung. Sie können Klage gegen die Beendigung erheben.
  • Empfehlenswert ist es: Sie können die Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen: Dann besteht Ihr Arbeitsverhältnis zunächst zu veränderten Arbeitsbedingungen fort. Stellt ein Gericht dann fest, dass die Änderungen unwirksam waren, besteht Ihr Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen weiter. 
  • Mehr erfahren Sie dazu in unseren Beiträgen zur Änderungskündigung.

Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber: Er kann versuchen, die beabsichtigten Änderungen mit Ihnen zu verhandeln. Bei einer Einigung zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber kann ein Arbeitsvertrag zu neuen Bedingungen abgeschlossen werden. Der Vorteil: Sie können bei den Verhandlungen Ihre Vorstellungen einbringen und eventuell auch Gehaltserhöhungen verhandeln. Ein Nachteil: Bei Abschluss eines neuen Vertrages ist zu beachten, dass bestehende Ansprüche und Rechte nicht verloren gehen.

Aufgrund der komplexen Rechtsfragen empfehlen wir Ihnen in diesem Fall immer eine Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt im Arbeitsrecht.

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Was sind die Rechtsfolgen einer (un)wirksamen Versetzung?

Hat der Arbeitgeber eine wirksame Versetzung ausgesprochen, so gilt:

  • Die wirksame Versetzung ändert die Leistungspflicht des Arbeitnehmers. 
  • Kommt er dieser neuen Leistungspflicht nicht nach, verstößt er gegen seine vertraglichen Pflichten. In der Regel kann der Arbeitgeber abhängig vom Einzelfall disziplinarische Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören auch Abmahnungen und Kündigungen.

Hat der Arbeitgeber dagegen eine unwirksame Versetzung ausgesprochen, so gilt:

  • Die unwirksame Versetzung ist unverbindlich
  • Der Arbeitnehmer muss der unverbindlichen Weisung nicht nachkommen.
  • Das Arbeitsverhältnis besteht zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fort. 
  • Kommt der Arbeitnehmer der unverbindlichen Weisung (z.B. Versetzung in eine andere Stadt) aber dennoch nach, ist der Arbeitgeber bei späterer Feststellung der Unwirksamkeit zum Schadensersatz verpflichtet (z.B. Reisekosten, Umzugskosten etc.). 

Achtung: Die meisten Fälle liegen “irgendwo dazwischen”. Meist ist nicht 100-prozentig klar, ob eine Versetzung wirksam ist. Und bis die Wirksamkeit der Versetzung vor Gericht geklärt ist, kann ein langer Zeitraum mit entsprechender Unsicherheit vergehen. Der Arbeitnehmer muss der unverbindlichen Weisung nicht nachkommen. Der Arbeitnehmer geht damit jedoch ein hohes Risiko ein, selbst wenn später ein Gericht die Wirksamkeit feststellen sollte. Es empfiehlt sich daher, die unwirksame Versetzung bis zu einer gerichtlichen Klärung unter Vorbehalt anzunehmen. Eine anwaltliche Beratung zur Vorgehensweise ist hier empfehlenswert.

Was kann man gegen eine Versetzung tun?

Bei Ausspruch einer Versetzung können Sie Folgendes tun:

  • Prüfen Sie zunächst den Inhalt Ihres Arbeitsvertrags.
  • Sofern es einen Betriebsrat gibt, sollten Sie sich mit diesem in Verbindung setzen.
  • Sie können zunächst versuchen, mit Ihrem Arbeitgeber/Personalabteilung zu sprechen.
  • Sollte dies alles erfolglos sein, können Sie Klage erheben. Da dies aber eine große Belastung Ihres Arbeitsverhältnisses darstellen kann, sollten Sie sich zuvor mit einem im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Verbindung setzen. Er kann Ihre individuelle Situation besser einschätzen und Sie entsprechend beraten.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

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