Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Hilfe bei Benachteiligung im Job

  • Timo Sauer
  • 21. November 2024
  • 10:01

Seit 2006 schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor Diskriminierungen. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn jemand aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung ungerechtfertigt benachteiligt wird. Diskriminierungen können bewusst oder unbewusst erfolgen und beruhen oft auf Vorurteilen. Sie können offen (z. B. bei der Ablehnung eines Bewerbungsgesprächs wegen des Namens) oder weniger offensichtlich sein (z. B. bei Anforderungen in Stellenausschreibungen, die nicht mit der Tätigkeit zu tun haben). In unserem Beitrag erläutern wir, wie das AGG bei solchen Benachteiligungen helfen kann. 

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Das Wichtigste in Kürze:
  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) schützt alle Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, Bewerber und bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer. 
  • Das AGG schützt vor Benachteiligungen durch den Arbeitgeber oder Beschäftigte aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Bei einer Benachteiligung aufgrund anderer Gründe gilt das AGG allerdings nicht.
  • Das AGG schützt bei fast allen Maßnahmen des Arbeitgebers von der Bewerbung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ausnahmen sind Kündigungen, die in den Schutzbereich des KSchG fallen.
  • Das AGG schützt nur vor „unzulässigen” Benachteiligungen. Es gibt einige Ausnahmen im Gesetz, wann eine Benachteiligung gerechtfertigt bzw. zulässig ist.
  • Maßnahmen Vereinbarungen sind bei unzulässigen Benachteiligungen unwirksam. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Schadensersatz und zusätzlich Anspruch auf eine Entschädigung. Sie müssen bestimmte Fristen bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung Ihrer Ansprüche beachten.

Wen schützt das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (in kurz: AGG) gilt seit 2006 mit dem Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Das AGG schützt im Arbeitsverhältnis:

  • Arbeitnehmer, 
  • die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, 
  • Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis, 
  • Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.  

Wovor schützt das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beinhaltet ein allgemeines Benachteiligungsverbot. Danach darf der Arbeitgeber nach §§ 7, 1 AGG Beschäftigte nicht benachteiligen aus Gründen:

  • der Rasse,
  • der ethnischen Herkunft, 
  • des Geschlechts
  • der Religion oder Weltanschauung
  • einer Behinderung
  • des Alters oder 
  • der sexuellen Identität.

Wichtig: Benachteiligt der Arbeitgeber aus anderen Gründen, gilt das AGG nicht. Dann gelten andere allgemeine Regelungen, z.B. der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Arbeitgeber darf bei folgenden Maßnahmen im Arbeitsverhältnis nicht benachteiligen:

  • bei Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen,
  • bei sämtlichen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen,
  • beim beruflichen Aufstieg,
  • beim Arbeitsentgelt,
  • bei Beendigung und Entlassungen. 

WICHTIG: Haben Sie eine Kündigung erhalten, so ist zu unterscheiden:  
– Bei Kündigungen, die nicht in den Kündigungsschutz des KSchG fallen (Kündigung im Kleinbetrieb oder in den ersten sechs Monaten), gilt das Benachteiligungsverbot des AGG.
– Bei Kündigungen, die in den Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes fallen, gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht. Hier wird das Benachteiligungsverbot bei der Sozialwidrigkeit der Kündigung berücksichtigt.

Wann liegt eine “Benachteiligung” im Sinne des AGG vor? 

Eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist in zwei Stufen zu prüfen:

  • Liegt überhaupt eine weniger günstige Behandlung („Benachteiligung“) vor?
  • Ist diese Benachteiligung  ausnahmsweise “zulässig”?

Liegt überhaupt eine “Benachteiligung” vor?

Der Begriff der Benachteiligung wird im Gesetz klar definiert: Eine Benachteiligung ist eine weniger günstige Behandlung als sie einem “Nicht-Merkmalsträger” widerfährt. Es gibt im Wesentlichen drei Formen der Benachteiligung: 

  1. Die unmittelbare Benachteiligung: eine Person wird unmittelbar aufgrund eines in § 1 AGG genannten Grundes weniger günstig behandelt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Beispiel: Eine weibliche Arbeitnehmerin erhält weniger Entgelt bei vergleichbarer Arbeit wie ihr männlicher Kollege. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
  2. Die mittelbare Benachteiligung: eine Person wird dem Anschein nach durch neutrale  Kriterien, beim zweiten Blick aber dennoch wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt. Beispiel: Elternzeit (zunächst neutrales Kriterium) wird nach betrieblichen Regeln bei der Betriebszugehörigkeit nicht eingerechnet.  Beim zweiten Blick ist dies aber meist eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, da der Großteil der Elternzeit immer noch von Frauen in Anspruch genommen wird. Mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
  3. Die Belästigung: unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen. Sie bezwecken, dass die Würde der Person verletzt und ein von Einschüchterungen und Anfeindungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dazu gehört auch ausdrücklich die sexuelle Belästigung.

Zweite Voraussetzung: Die Benachteiligung darf nicht ausnahmsweise zulässig sein

Nicht jede Benachteiligung ist automatisch unzulässig. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz lässt einige gesetzliche Ausnahmen zu: 

Zulässige Benachteiligung bei beruflichen Anforderungen

Eine Benachteiligung ist zulässig, wenn der Grund der Benachteiligung wegen der Art der Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ist. Der Zweck muss rechtmäßig und die Anforderung angemessen sein, § 8 AGG.

Beispiele: 

  • Unzulässige Benachteiligung: Wenn Stellenanzeigen „Berufseinsteiger“ bzw. “Kollegen mit maximal 5 Jahren Berufserfahrung” suchen. Dies ist eine Benachteiligung aufgrund Alters, ohne dass diese eine Anforderung an die Berufsausübung ist. 
  • Zulässige Benachteiligung: Wenn eine Stellenausschreibung ein “sehr gutes Deutsch” und “gutes Englisch” verlangt, sofern dies für die Ausübung der Tätigkeit wesentlich ist. Dann ist es keine Benachteiligung wegen “ethnischer Herkunft”.
Zulässige Benachteiligung bei kirchlichen Arbeitgebern

Eine Benachteiligung ist zulässig, wenn sie aufgrund Religion/Weltanschauung erfolgt und der Arbeitgeber eine Kirche oder sonstige Religionsgesellschaft ist. Der Grund der unterschiedlichen Behandlung muss abhängig von der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung sein, § 9 AGG. 

Beispiel: Unzulässige Benachteiligung, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber eines Krankenhauses einen Chefarzt benachteiligt, da dieser Chefarzt nicht in eine kirchlich gültige Ehe eintritt.

Zulässige Benachteiligung aufgrund des Alters

Eine Benachteiligung ist zulässig, wenn die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. 

Beispiele: Das Gesetz lässt folgende mögliche Rechtfertigungen zu: 

  • Differenzierungen nach der Berufserfahrung oder dem Dienstalter, 
  • Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter,
  • Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung, 
  • Höchstaltersgrenzen für die Einstellung (z.B. bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten),
  • Vereinbarung einer Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (zulässig, wenn an Regelaltersrente angeknüpft) 
  • Berücksichtigung des Lebensalters bei der Abfindung in einem Sozialplan (höhere Abfindungen für ältere Arbeitnehmer wegen schlechterer Arbeitsmarktchancen, niedrigere Abfindungen bei älteren Arbeitnehmern wegen baldigem Renteneintritt).
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Was sind die Rechtsfolgen einer “unzulässigen Benachteiligung”?

Im Berufsleben sollte faire und gleiche Behandlung selbstverständlich sein. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmer sich benachteiligt fühlen – sei es aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder anderer Merkmale. Wenn sich herausstellt, dass eine solche Benachteiligung unzulässig ist, stellt sich die Frage: Welche rechtlichen Konsequenzen und Ansprüche ergeben sich daraus für den betroffenen Arbeitnehmer?

Maßnahmen des Arbeitgebers sind unwirksam

Maßnahmen oder Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam

Leistungsverweigerungsrecht bei Belästigungen 

Wenn der Arbeitgeber zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz keine Maßnahmen ergreift oder die ergriffenen Maßnahmen als offensichtlich ungeeignete erscheinen, sind die Betroffenen berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. 

Hinweis: Die Ausübung dieses Rechtes kann in der Praxis mit hohen Risiken verbunden sein. Bis zu einer eventuell gerichtlichen Klärung vergeht einige Zeit. Der Arbeitgeber geht von keiner Benachteiligung aus. So besteht die Gefahr disziplinarischer Verfahren, von Abmahnungen, einer Kündigung wegen Arbeitsverweigerung oder sonstigen Belastungen des Arbeitsverhältnisses. Deshalb ist Vorsicht geboten. Suchen Sie eher das Gespräch mit einem Anwalt und lassen Sie sich beraten. Sie können auch Ihren Betriebsrat oder Ihre Gewerkschaft zur Unterstützung hinzuziehen. 

Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung

Eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitgebers stellt eine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten dar. Dies gilt auch, wenn die Benachteiligung durch einen Vorgesetzten des Betroffenen verursacht wurde. 

1.) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen, sofern er ihn verschuldet hat. Der Betroffene muss so gestellt werden, wie er ohne die Benachteiligung stehen würde. Dazu gehören z. B. der entgangene Gewinn oder der Anspruch auf die entgangene Leistung. Nicht zum Schadensersatz gehören:

  • Ist der Benachteiligte ein Bewerber auf einen Arbeitsplatz oder eine Beförderungsstelle, erhält er nicht die gewünschte Stelle.
  • Anwalts- und Gerichtskosten    

2.) Neben dem Schadensersatzanspruch hat der Arbeitnehmer zusätzlich einen Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Schaden (d.h. Nicht-Vermögensschaden: Beeinträchtigung der Persönlichkeit, Ehre etc.). Die Entschädigung dient dem vollen Ersatz des Schadens und gleichzeitig der Abschreckung gegen künftige Benachteiligungen. Das Gericht muss bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung die Schwere des Verstoßes, die Art der Beeinträchtigung oder das Vorliegen eines Wiederholungsfalles berücksichtigen. Dies liegt im Ermessen des Gerichts. Es gibt mit wenigen Ausnahmen keine Begrenzung nach oben.

Welche Fristen müssen Sie beachten? 

Der Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung müssen innerhalb von zwei Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. 

Fristbeginn: (1) Bei einer Bewerbung/beruflichen Aufstieg beginnt die Zwei-Monatsfrist mit dem Zugang der Ablehnung. (2) In allen anderen Fällen beginnt die Frist mit der Kenntnis des Beschäftigten.

Hinweis: In Tarifverträgen kann hierzu anderes vereinbart sein. Prüfen Sie daher, ob ein Tarifvertrag für Sie Anwendung findet, sofern die zwei Monate verstrichen sind. 

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Was kann man gegen eine unzulässige Benachteiligung tun?

  • Allgemeines: Es ist immer sinnvoll, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber oder der Personalabteilung zu suchen. Hierbei können Sie die Unterstützung des Betriebsrates, Ihrer Gewerkschaft oder eines spezialisierten Anwalts im Arbeitsrecht in Anspruch nehmen.
  • Beschwerderecht: Sie haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn Sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen, § 13 AGG. Der Arbeitgeber muss die Beschwerde prüfen und das Ergebnis dem Beschäftigten mitteilen.
  • Klage vor dem Arbeitsgericht: Entscheiden Sie sich für gerichtliche Schritte, müssen Sie beachten, dass es neben den Zwei-Monaten der schriftlichen Geltendmachung beim Arbeitgeber eine weitere gerichtliche Frist gibt: Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht wurde, eingereicht werden.

Wichtig: Wird eine der beiden Fristen nicht gewahrt, verfallen etwaige Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche. Vor Einreichen einer Klage empfiehlt es sich daher in den meisten Fällen einen im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen, um sich ein Bild über die Erfolgsaussichten einer Klage machen zu können.

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Häufig gestellte Fragen (FAQs)

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