Kündigungsschutz in Kleinbetrieben mit maximal 10 Mitarbeitern

  • Sophie Fischer
  • 29. August 2023
  • 13:34
Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Viele Arbeitnehmer nehmen oft irrtümlich an, dass sie bei Arbeitsverhältnissen in Kleinbetrieben mit maximal 10 Arbeitnehmern gar keinen Kündigungsschutz genießen. Dies ist nur zum Teil richtig. Arbeiten tatsächlich nur maximal 10 Arbeitnehmer in Ihrem Betrieb, so besteht zwar der deutlich stärkere Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht. Trotzdem gibt es eine Reihe anderer Vorschriften, die den Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses auch in solchen Kleinbetrieben schützen. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, durch welche gesetzlichen Regelungen Sie auch in “Kleinbetrieben” geschützt sind.

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Das Wichtigste in Kürze:
  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) schützt alle Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, Bewerber und bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer. 
  • Das AGG schützt vor Benachteiligungen durch den Arbeitgeber oder Beschäftigte aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Bei einer Benachteiligung aufgrund anderer Gründe gilt das AGG allerdings nicht.
  • Das AGG schützt bei fast allen Maßnahmen des Arbeitgebers von der Bewerbung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ausnahmen sind Kündigungen, die in den Schutzbereich des KSchG fallen.
  • Das AGG schützt nur vor „unzulässigen” Benachteiligungen. Es gibt einige Ausnahmen im Gesetz, wann eine Benachteiligung gerechtfertigt bzw. zulässig ist.
  • Maßnahmen Vereinbarungen sind bei unzulässigen Benachteiligungen unwirksam. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Schadensersatz und zusätzlich Anspruch auf eine Entschädigung. Sie müssen bestimmte Fristen bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung Ihrer Ansprüche beachten.

Hintergrund zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer bereits mindestens sechs Monate beschäftigt ist – sofern kein “Kleinbetrieb” vorliegt. Ein Kleinbetrieb ist nach KSchG ein Betrieb, in dem regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. In solchen Betrieben gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, was bedeutet, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine sozialen Rechtfertigungsgründe für eine Kündigung haben muss. In Kleinbetrieben ist die Kündigung daher wesentlich flexibler. So ist der Arbeitgeber z.B. nicht verpflichtet, eine Sozialauswahl vorzunehmen.

Ganz anders bei größeren Betrieben, in denen mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind und die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung finden. Hier ist eine Kündigung nur unter bestimmten, sozial gerechtfertigten Gründen zulässig. Die erste Frage, die man sich im Falle einer Kündigung durch ein “kleines Unternehmen” stellen sollten: Arbeite ich tatsächlich in einem sogenannten Kleinbetrieb? 

Voraussetzungen eines Kleinbetriebs

Sie arbeiten in einem Kleinbetrieb, wenn Ihr Betrieb regelmäßig zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt.  Das klingt erst mal einfach, dennoch ist die Bestimmung der Anzahl der Beschäftigten im Einzelfall etwas kniffelig: 

Zeitpunkt der Kündigung

Zunächst hat sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist. Das ist einfach: Bei der Zählung der Arbeitnehmer ist nur der Zeitpunkt der Kündigung maßgebend. 

Ermittlung der Anzahl der Beschäftigten

Die nächste Frage ist, wer überhaupt als “Beschäftigter” zählt. Dabei geht es zunächst darum festzustellen, was die Grenzen des “Betriebes” sind. Denn oft ist ein “Betrieb” größer, als man meint. Mitzuzählen sind beispielsweise:

  • Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung nicht im Betrieb selbst erbringen, sondern außerhalb des Betriebes, wie z.B. im Home-Office, Montage, Außendienst etc..
  • Nur regelmäßig Beschäftigte. Maßgebend ist dabei nicht die zufällige Anzahl zum Kündigungszeitpunkt, sondern es ist auf die bisherige übliche  personelle Stärke des Betriebs abzustellen. Wichtige Beispiele:
    • Leiharbeitnehmer, die im Betrieb regelmäßig beschäftigt sind, zählen mit! 
    • Arbeiten zum Kündigungszeitpunkt aufgrund geringerer Geschäftsaktivitäten weniger Personen als regelmäßig zuvor, zählen die zuvor regelmäßig Beschäftigten mit
    • Dies gilt leider auch umgekehrt: Arbeiten zum Kündigungszeitpunkt aufgrund außergewöhnlich hoher Geschäftsaktivitäten mehr Personen nur kurzzeitig, werden diese nicht mitgezählt. 
  • Weitere Personengruppen, die unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise mitgezählt werden (oder nicht), wie z.B. Familienangehörige oder Fremdgeschäftsführer etc. Hier empfehlen wir, sich mit einem im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen.
Gewichtung von Teilzeitkräften

Nicht jeder Mitarbeiter zählt gleich viel, denn für Teilzeitkräfte ist eine Gewichtung durchzuführen. Diese zählen wie folgt:

  • Vollzeitkräfte und Teilzeitbeschäftigte (mit mehr als 30 Wochenstunden) werden mit dem Faktor 1 gezählt.  
  • Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden mit dem Faktor 0,5 gezählt.
  • Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden werden mit 0,75 gezählt.
  • Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, werden nicht mitgezählt.

Achtung: Bestand Ihr Arbeitsverhältnis bereits vor dem 31. Dezember 2003, so haben Sie Kündigungsschutz auch in Betrieben mit mehr als 5 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern. Jedenfalls, sofern Ihr Betrieb zum damaligen Zeitpunkt regelmäßig mehr als 5, aber nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt hat. Hier  wird es dann echt etwas kniffelig, so dass Sie diese Frage unbedingt mit einem Anwalt klären sollten.

Rechtsfolgen der konkreten Zählung

Kommen Sie aufgrund der konkreten Zählung nun auf mehr als 10 Mitarbeiter, arbeiten Sie nicht in einem Kleinbetrieb. Der deutlich stärkere Kündigungsschutz des KSchG gilt auch für Sie, sofern Sie die Wartezeit von 6 Monaten erfüllt haben. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Beitrag zum Kündigungsschutzgesetz.

Kommen Sie trotz konkreter Zählung nur auf weniger oder maximal 10 Arbeitnehmer, so arbeiten Sie tatsächlich in einem Kleinbetrieb. Das bedeutet für Sie: 

  • Der strengere Kündigungsschutz des KSchG gilt nicht für Sie. Ihr Arbeitgeber kann eine ordentliche Kündigung aussprechen, ohne personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe beweisen zu müssen.
  • Der Arbeitgeber muss aber die ordentliche Kündigungsfrist einhalten. Bei länger bestehenden Arbeitsverhältnissen können das längere Zeiträume sein, bis das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet werden darf. Dazu erfahren Sie mehr in unserem Beitrag zu Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber  
  • Es gelten aber eine Reihe weiterer Schutzvorschriften, die ihr Arbeitsverhältnis auch in Kleinbetrieben schützen: 

(Eingeschränkter) Kündigungsschutz auch in Kleinbetrieben

Auch in Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern gibt es wichtige Kündigungsschutzregelungen. In diesem Abschnitt beleuchten wir die wichtigsten Aspekte: den Kündigungsschutz bei außerordentlicher Kündigung, den Schutz von Betriebsratsmitgliedern sowie die Regelungen bei einer Betriebsveräußerung. Erfahren Sie, welche Rechte Sie haben und wie Sie sich im Ernstfall schützen können.

Kündigungsschutz bei außerordentlicher Kündigung

Arbeiten Sie in einem Kleinbetrieb und will Ihr Arbeitgeber Ihnen eine außerordentliche (fristlose) Kündigung aussprechen, so genießen Sie den Kündigungsschutz nach § 626 BGB. Ihr Arbeitgeber muss einen wichtigen Grund nachweisen und eine Interessenabwägung durchführen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein. Dies kann nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der maßgebenden Gründe erfolgen. Die Anforderungen sind hier extrem streng, so dass viele Kündigungen unwirksam sind. Manchmal lassen sich außerordentliche Kündigungen aber in ordentliche Kündigungen umdeuten.  Dazu mehr in unserem Beitrag “Fristlose Kündigung im Arbeitsvertrag”. 

Kündigungsschutz bei Betriebsrat im Kleinbetrieb

Betriebsräte können auch in Kleinbetrieben vorkommen. Nämlich in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind. Besteht in Ihrem Kleinbetrieb ein Betriebsrat, so muss der Betriebsrat vor jeder (ordentlichen oder außerordentlichen) Kündigung angehört werden. Wird der Betriebsrat nicht oder fehlerhaft angehört, ist die Kündigung unwirksam, § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Kündigungsschutz bei Betriebsveräußerung 

Arbeiten Sie in einem Kleinbetrieb und will Ihr Arbeitgeber seinen Betrieb verkaufen, kann er Ihnen keine ordentliche Kündigung wegen dieser Veräußerung aussprechen. Eine solche Kündigung ist unwirksam.

Besonderer Kündigungsschutz auch in Kleinbetrieben

Auch in Kleinbetrieben gelten besondere Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen. In diesem Abschnitt informieren wir Sie über den Schutz bei Schwangerschaft (§ 17 MuSchG), Elternzeit (§ 18 BEEG), Schwerbehinderung, Amtsträgern, Regelungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie die Rechte bei schriftlichen Kündigungen. Erfahren Sie, welche Schutzmechanismen bestehen und welche Rechte Sie haben.

Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Arbeiten Sie in einem Kleinbetrieb und sind schwanger, so gilt auch für Sie, dass eine Kündigung während der Schwangerschaft, innerhalb bestimmter Fristen nach einer Fehlgeburt sowie bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig ist (§ 17 Mutterschutzgesetz). Der Arbeitgeber muss innerhalb bestimmter Fristen informiert sein.

Kündigungsschutz bei Elternzeit

Arbeiten Sie in einem Kleinbetrieb und nehmen Elternzeit in Anspruch, so darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt ab dem Elternzeit beantragt ist, nicht kündigen (§ 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung durch die zuständige Behörde für zulässig erklärt werden. Beispiele sind z.B. Betriebsschließung, oder besonders schwerwiegendes Verhalten des Arbeitnehmers. 

Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch, wenn Sie in einem Kleinbetrieb arbeiten.

Kündigungsschutz von Amtsträgern

Betriebsräte können in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, gewählt werden.

Besteht in Ihrem Kleinbetrieb ein Betriebsrat und sind Sie selbst Betriebsrat, genießen Sie den Schutz als Amtsträger auch im Kleinbetrieb. Eine ordentliche Kündigung ist unzulässig. Eine außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und eine Zustimmung des Betriebsrates vorliegt oder gerichtlich ersetzt ist.

Kündigungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Eine ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers im Kleinbetrieb aufgrund von Rasse, Herkunft, Geschlechts, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alters oder der sexuellen Identität ist nach § 134 BGB und § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unwirksam.

Kündigungsschutz im Kleinbetrieb bei Ausübung bestehender Rechte

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer auch im Kleinbetrieb nicht kündigen, nur weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt, § 612a BGB. Beispiele: (1) Arbeitnehmer haben bei Erkrankung eines Kindes einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Erhält der Arbeitnehmer deshalb eine Kündigung, so ist diese nach § 612a BGB unwirksam. (2) Der Arbeitnehmer verlangt die Entfernung einer Abmahnung und wird deshalb gekündigt. (3) Der Arbeitnehmer legt eine berechtigte Krankmeldung vor und erhält deshalb eine Kündigung.

Kündigung im Kleinbetrieb immer schriftlich 

Eine Kündigung hat auch in Kleinbetrieben schriftlich zu erfolgen. Hält der Arbeitgeber dies nicht ein, ist die Kündigung unwirksam, § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dazu mehr in unserem Beitrag zur Kündigung per Mail.

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