Die individuelle Mobilität steht vor einer neuen Ära der Innovation – und die deutsche Autoindustrie scheint außen vor. Entlassungen in der Automobilindustrie sind wahrscheinlich. Zwar bleibt das eigene Auto das beliebteste Fortbewegungsmittel. Die Technologie ändert sich aber massiv. Vor allem Elektromobilität und autonomes Fahren werden unsere Fortbewegung in den nächsten Jahren massiv verändern. Als “Trendsetter” werden deutsche Hersteller bei beiden Themen nicht wahrgenommen. Die Folge: Absatzzahlen bröckeln und Hersteller und Zulieferer müssen Kosten senken. Das betrifft die gesamte deutsche Automobilindustrie inklusive der Zulieferer. Entlassungen scheinen unvermeidbar.
Mega-Trends in der Autoindustrie
Der Trend zur Elektromobilität ist nicht mehr aufzuhalten. Die Preise fallen so schnell, dass Elektroautos ab 2025 nicht mehr teurer sind als gleichwertige Verbrenner. Entsprechend sollten auch die Absatzzahlen für Elektroautos deutlich steigen. In vielen Ländern wie Schweden und Norwegen wird dieser Trend durch Subventionen (oder mit einer höheren Besteuerung für Verbrenner) gefördert. In der EU sollen ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden. Der weltweit größte Markt für Elektrofahrzeuge ist aber mit 60% Marktanteil bei Verkäufen und Produktion – China. Und bereits letztes Jahr war jedes zweite verkaufte E-Auto ein “Chinese”. Elektromobilität bedeutet für die Automobilindustrie vor allem eine komplett andere Technologie. Vereinfacht: Vorne und hinten Elektromotoren mit Batterie im Boden, dafür kein Getriebe – und deutlich weniger bewegliche Teile als beim Verbrenner. Mit dem Wechsel zur Elektromobilität wird damit ein großer Teil der vorhandenen Produktionskapazitäten und des Know-Hows überflüssig.
Noch disruptiver für die Automobilindustrie könnte der Trend zum autonomen Fahren werden. Und auch da spielt die deutsche Autoindustrie ebenfalls keine treibende Rolle. Während Waymo / Google im Stadtgebiet von San Francisco bereits eine Flotte von 250 autonom fahrenden Robo Taxis im Live Betrieb hat. Auch China möchte beim autonomen Fahren eine Vorreiterrolle übernehmen. Dafür investieren chinesische Technologie-Player massiv.
Entlassungen in der Automobilindustrie wahrscheinlich
Der Fortschritt bei der Elektromobilität ist unter ökologischen Aspekten natürlich begrüßenswert. Für einzelne deutsche Automobilhersteller und Zulieferer scheint er eher existenzbedrohend. Und zwar nicht in 10 Jahren, sondern bereits heute. Wichtigster Indikator sind die Absatzzahlen. Und die sind dramatisch. Im August 2024 wurden beispielsweise in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt 197.000 Pkw neu zugelassen – das sind aber 28% weniger als ein Jahr zuvor. Noch dramatischer ist der Umsatzeinbruch bei Elektroautos, bei denen der Absatz im gleichen Zeitraum um fast 70% zurück ging (KBA). Auch, weil die staatliche Kaufprämie wegfiel. Eine Beispiele für bereits besonders hart betroffene Unternehmen:
Krise bei VW macht fünfstelligen Stellenabbau wahrscheinlich
Volkswagen, der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt, schwenkt grade auf einen radikalen Sparkurs um. Entlassungen und sogar Werksschließungen stehen auf der Tagesordnung. Die Krisensituation bei VW zeichnet sich allerdings schon länger ab. VW ist extrem abhängig vom chinesischen Markt, wo der Konzern gerade die Elektromobilität komplett davon läuft. Gepaart mit der schon notorischen Renditeschwäche des Konzerns ist die Situation mittlerweile so dramatisch, dass VW erstmals auch Werksschließungen in Deutschland nicht mehr für ausgeschlossen hält.
Bisher galt eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung mit dem Betriebsrat, die Kündigungen bis 2029 ausschließt. Diese Vereinbarung hat Volkswagen knapp 120.000 Beschäftigten gekündigt – damit ist die Job-Garantie weg. Zwei Werke in Deutschland könnten von Kündigungen betroffen sein. Welche das sind ist noch nicht klar. Aber Gerüchten zu Folge könnte VW in den nächsten Jahren über 10.000 Stellen streichen. Es kursieren aber auch deutlich höhere Zahlen. Experten rechnen auf Grund der hohen Anforderungen an wirksame Kündigungen mit Abfindungen bis zu einer halben Million Euro pro Arbeitnehmer.
ZF plant, bis zu 14.000 Stellen abzubauen
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen plant, bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen. Dies ist mehr als befürchtet. Ein Hauptgrund für diesen Schritt ist die Umstellung auf Elektromobilität. ZF ist nach Bosch der zweitgrößte Autozulieferer in Deutschland.
Continental plant mehrere tausend Entlassungen
Auch Continental, Autozulieferer und Reifenhersteller, plant Tausende von Stellenstreichungen, um seine angeschlagene Autozuliefersparte wieder rentabel zu machen. Die genaue Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze steht noch nicht fest, wird aber laut Gerüchten mehr als 7.000 Stellen betreffen. Vor allem in Verwaltung, Entwicklung und Forschung – eigentlich das Fundament für Innovationen. Ein Streit bei Continental um Entlassungen und einen Sozialplan, der nur sehr niedrige Abfindungen vorsieht, hat sich in letzter Zeit zugespitzt. In Hannover wird es wohl leider spannend bleiben.
Ford kündigt Abbau von über 2.000 Stellen an
Ford plant den Abbau von 2300 weiteren Stellen im Kölner Werk. Das Restrukturierungsprogramm betrifft die gesamte Belegschaft, einschließlich Produktion, Verwaltung und Produktentwicklung. Dies ist bereits das dritte Mal innerhalb von fünf Jahren, dass Ford Stellen abbaut. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2032 ausgeschlossen.
Bosch mit bis zu 2.000 Stellen
Auch Bosch – immer noch der weltgrößte Zulieferer in der Automobilindustrie – schließt nicht aus, dass weitere Stellen abgebaut werden. Laut Medienberichten stehen ca 7000 Arbeitsplätze zur Disposition, fast die Hälfte davon in der Kernsparte Automobiltechnik. Besonders dramatisch ist es, dass viele der bedrohten Stellen in den Zukunftsbereichen Elektromobilität und autonomes Fahren sind. Sogar die Schließung eines Elektromotorenwerks (!) in Hildesheim wird diskutiert. Allerdings gibt es eine Vereinbarung aus 2023, die betriebsbedingte Kündigungen zumindest für die ca. 80.000 Beschäftigten der Zulieferersparte in Deutschland bis Ende 2027 ausschließt. Freiwilligenprogramme sind da natürlich trotzdem möglich, aber mit deutlich höheren Abfindungen als bei betriebsbedingte Kündigungen.
Weitere Entlassungen in der Automobilindustrie stehen bevor
Angesichts der Situation bei VW darf man davon ausgehen, dass dies erst der Anfang ist. Dann auch die anderen Automobilhersteller in Deutschland haben Schwierigkeiten u.a. im Bereich Elektromobilität. Kündigung werden nicht nur die Hersteller selber betreffen, sondern vor allem und zunächst deren Zulieferer. Neben Bosch, ZF sind aktuell zum Beispiel Bertrandt, Mubea, Schaeffler, Webasto mit geplantem Stellenabbau in der Presse. Und laut einer aktuellen Umfrage planen mehr als 50% der befragten Zulieferer in Deutschland Stellenabbau. Der Kostendruck der Hersteller auf die Zulieferer macht es wahrscheinlich, dass zuerst Jobs in der Wertschöpfungskette, also bei Zulieferern, wegfallen, bevor Automobilhersteller im großen Umfang “in-house” anfangen, Stellen abzubauen und Werke zuschließen.
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