

Kündigungen in der Ausbildung folgen anderen Regeln als im normalen Arbeitsverhältnis. Obwohl das Berufsbildungsgesetz Auszubildende besonders schützt, werden jedes Jahr zahlreiche Ausbildungsverhältnisse vorzeitig beendet. Wichtig ist die klare Trennlinie: In der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit beendet werden. Aber danach sind ordentliche Kündigungen kaum noch möglich, sondern nur fristlose Kündigungen. Unser Beitrag erklärt die rechtlichen Grundlagen, Fälle aus der Praxis und zeigt Optionen von der fristlosen Kündigung über Schadensersatz bis hin zum Aufhebungsvertrag und der Schlichtungsstelle.
Das Wichtigste im Überblick
- In der Probezeit können beide Seiten ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung von Kündigungsfristen das Ausbildungsverhältnis kündigen.
- Nach der Probezeit können Ausbilder und Azubis fristlos kündigen, wenn ein “wichtiger Grund” vorliegt und eine Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Ausbildungszeit “unzumutbar” ist.
- Nach der Probezeit darf der Auszubildende nur dann ordentlich kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgibt. Aufhebungsverträge können jederzeit abgeschlossen werden.
- Die Kündigung muss immer schriftlich erfolgen.
- Eine fristlose Kündigung muss die Gründe für die Kündigung beinhalten.
Inhalte
Kündigungsschutz für Auszubildende
Die Kündigung von Auszubildenden ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt. Auszubildende sollen während ihrer Ausbildung einen besonderen Schutz genießen. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei, ob sich Azubis und Ausbilder noch in der Probezeit befinden oder die Kündigung nach der Probezeit erfolgt.
Kündigung während der Probezeit
Ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt immer mit einer Probezeit, die mindestens einen Monat und maximal vier Monate dauern darf.1
Während der vereinbarten Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, d.h. auf Papier und mit eigenhändiger Unterschrift. Eine Kündigung per Mail, Whatsapp etc. ist unwirksam.
Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat, muss der Ausbilder den Betriebsrat auch bei einer Kündigung in der Ausbildung anhören. Ansonsten ist die Kündigung unwirksam.
Der Ausbildungsbetrieb muss auch den besonderen Kündigungsschutz beachten. Dazu gehören zum Beispiel der Schutz für Schwangere und Mütter nach der Entbindung. Schwerbehinderte haben dagegen in den ersten 6 Monaten keinen besonderen Kündigungsschutz.
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Kündigung nach Ablauf der Probezeit
Sobald die Probezeit abgelaufen ist, gelten strengere Regeln. Ein Ausbildungsverhältnis kann dann nur in den folgenden Fällen gekündigt werden:
- Ausbilder und Azubi können eine fristlose Kündigung aussprechen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt.
- Ein Azubi kann eine ordentliche Kündigung aussprechen, aber nur, wenn er die Berufsausbildung aufgibt oder sich für eine andere Berufsausbildung entscheidet.2 Die Kündigungsfrist beträgt dann vier Wochen. Möchte ein Azubi dieselbe Berufsausbildung nur in einem anderen Betrieb fortführen, reicht das nicht für eine ordentliche Kündigung aus.
- Ein Ausbilder kann keine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit aussprechen.
Außerordentliche Kündigung durch Ausbildungsbetrieb
Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildungsbetrieb nur noch eine fristlose Kündigung aussprechen.
Die fristlose Kündigung verlangt einen „wichtigen Grund”. Es müssen Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung des Einzelfalles und der Interessen beider Seiten die Fortsetzung der Ausbildung bis zum Ablauf der Ausbildungszeit unzumutbar machen. Hier einige Beispiele für eine fristlose Kündigung durch den Ausbildenden:
- Ein Auszubildender beleidigt den Ausbilder auf Facebook als “Menschenschinder und Ausbeuter”. Die fristlose Kündigung war wirksam.3
- Ein Auszubildender verletzte mehrfach Corona-Schutzmaßnahmen. Das Arbeitsgericht hielt dies nicht für ausreichend, da keine Abmahnungen vorlagen und das Ausbildungsverhältnis kurz vor der Beendigung stand.4
- Ein Azubi fehlte unentschuldigt und versuchte dies mit einer Erkrankung zu begründen. Ein Post im Internet ergab jedoch, dass er nicht erkrankt war. Das Gericht sah dies als “wichtigen Grund” für eine fristlose Kündigung. Es war dem Ausbilder jedoch zumutbar, den Azubi kurz vor der Beendigung der Ausbildung weiter zu beschäftigen.5
- Straftaten oder Tätlichkeiten/Belästigungen unter Arbeitskollegen
- regelmäßiges Fehlen im Berufsschulunterricht.
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Der Ausbildende muss bei der fristlosen Kündigung in der Ausbildung folgende Formalitäten beachten:
- Die fristlose Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden. Erfolgt sie später, ist sie unwirksam.
- Die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen und muss die Kündigungsgründe angeben.
- Besteht ein Betriebsrat, muss dieser angehört werden.
- Der Ausbilder muss den besonderen Kündigungsschutz einhalten.
Außerordentliche Kündigung durch Azubi
Will ein Azubi fristlos kündigen, so gelten die gleichen Voraussetzungen:
- Es muss ein wichtiger Grund vorliegen und die Weiterbeschäftigung muss für den Azubi bis zum Ende der Ausbildungszeit unzumutbar sein.
- Die Kündigungsgründe müssen im Kündigungsschreiben angegeben werden.
- Ein Azubi kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes aussprechen.
Hier einige Beispiele für eine fristlose Kündigung in der Ausbildung durch Azubis:
- Der Ausbildungsbetrieb verweigert dem Azubi die weitere Ausbildung.6
- Der Azubi erhält nur ausbildungsfremde Arbeiten.7
- Tätlichkeiten oder grobe Ehrverletzungen gegen den Auszubildenden
- Die persönlichen Lebensverhältnisse eines minderjährigen Azubis ändern sich und machen die Beendigung der Ausbildung unmöglich oder unzumutbar. Beispiel: Umzug der Eltern eines minderjährigen Auszubildenden an einen weit entfernten Ort.
- Der Ausbilder zahlt die Ausbildungsvergütung im erheblichen Umfang trotz vorheriger Abmahnung nicht.8

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Schadensersatzanspruch bei Kündigung
Wird das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbilder oder Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn die andere Seite die Beendigung verschuldet hat.9
Ein Anspruch muss innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses geltend gemacht werden.
Hier einige Beispiele:
- Der Ausbildungsbetrieb muss ordnungsgemäß ausbilden. Verletzt er diese Pflicht, da z.B. keine geeigneten Ausbilder vorhanden sind, und kündigt der Azubi deshalb zu Recht fristlos, so kann der Azubi entstehende Schäden geltend machen. Dazu zählen Kosten für die Suche einer Ausbildungsstelle (Fahrtkosten, Kosten für Unterkunft, Bewerbungskosten etc.).10
- Wird ein Azubi nur als billige Arbeitskraft eingesetzt, so kann er die Differenz zwischen der Ausbildungsvergütung und der höheren eigentlichen Arbeitsvergütung geltend machen.11
Keine Schadensersatzansprüche entstehen, wenn ein Azubi eine ordentliche Kündigung ausspricht, da er sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen möchte.
Besonderheiten bei minderjährigen Auszubildenden
Ist der Azubi noch nicht volljährig, muss bei einer Kündigung durch den Minderjährigen der gesetzliche Vertreter einwilligen. Das sind in der Regel die Eltern. Bei einer Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb muss die Kündigung dem gesetzlichen Vertreter zugehen. Ansonsten liegt keine wirksame Kündigung vor.
Rechtliche Schritte gegen eine Kündigung
Will sich der Azubi gegen eine fristlose Kündigung wehren, gibt es im Ausbildungsverhältnis folgende Besonderheiten:
- Zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildungsbetrieb und Auszubildenden gibt es zunächst Schlichtungsstellen (Handwerksinnungen, IHK etc.)
- Diese Stellen müssen beide Seiten mündlich anhören.
- Gibt es keine Einigung, entscheidet die Schlichtungsstelle mit einem “Spruch”.
- Dieser kann von beiden Seiten innerhalb einer Woche anerkannt werden.
- Sofern dies nicht geschieht, kann innerhalb von zwei Wochen nach der Entscheidung Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden.12
Alternative: Aufhebungsvertrag
Wenn beide Seiten merken, dass es mit der Ausbildung einfach nicht passt, gibt es alternativ zur Kündigung in der Ausbildung die Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Man einigt sich einvernehmlich über die Beendigung der Ausbildung. Das bietet den Vorteil, dass keine Fristen eingehalten und keine Kündigungsgründe nachgewiesen werden müssen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass im Falle eines Aufhebungsvertrag keine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden kann.
Arbeitslosengeld bei Kündigung in der Ausbildung
Ein Azubi hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch bei einer Kündigung während der Ausbildung. Er muss aber in den letzten 30 Monaten mindestens 12 Monate eingezahlt haben. Was ein Azubi nach einer Kündigung für den Bezug von Arbeitslosengeld tun muss, findet man in unserem Beitrag “Arbeitslos melden nach Kündigung”.
Die Agentur für Arbeit kann beim Arbeitslosengeld nach Kündigung oder bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Sperrzeit verhängen. Das bedeutet: Das Arbeitslosengeld wird gekürzt und kann bis zu 12 Wochen später ausgezahlt werden. Eine Sperrzeit kann vermieden werden, wenn ein “wichtiger Grund” vorliegt. Dies sollte mit einem Anwalt oder der Agentur für Arbeit geklärt werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)

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- Strategie zum Verhandeln der Abfindung
- § 20 BBiG ↩︎
- § 22 BBiG ↩︎
- LAG Hamm 10.10.2012, 5 Sa 451/12 ↩︎
- Arbeitsgericht Bonn 18.5.2022, 2 Ca 2082/21 ↩︎
- LAG Rheinland-Pfalz 20.11.2018, 8 Sa 24/18 ↩︎
- BAG 11.08.1987, 8 AZR 93/85 ↩︎
- BAG 10.06.1976, 3 AZR 412/75 ↩︎
- Arbeitsgericht Trier 15.08.2013, 3 Ca 403/13 ↩︎
- § 23 BBiG ↩︎
- BAG 16.07.2013, 9 AZR 784/11 ↩︎
- Arbeitsgericht Hamm 18.07.2013, 4 Ca 2365/12 ↩︎
- § 111 Arbeitsgerichtsgesetz ↩︎




