Wann ist Zugang einer Kündigung fristgerecht erfolgt?

  • Frank Broer
  • 12. August 2024
  • 13:25

Ob und wann Briefe zugehen, ist vor allem bei Kündigungen extrem wichtig. Denn da kommst es oft “auf den Tag an”. Häufig ist die Kündigung nämlich nur zu bestimmten Stichtagen möglich. Wenn man zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis nur zum Quartalsende kündigen kann, bedeutet der Zugang am 1. Oktober (statt 30. September), dass der Arbeitnehmer 3 weitere Gehälter “sicher” hat – zusätzlich zu einer evtl. Abfindung. Ist die Kündigung auf Grund des späteren Zugangs verfristet (z.B. nach § 626 II BGB), ist diese unwirksam und damit komplett “vom Tisch”. Ihr Anwalt sieht das natürlich sofort, und verhandelt schlagartig nicht mehr über eine vierstellige, sondern über eine fünf- bis sechsstellige Abfindungssumme (abhängig vom Einzelfall). Insofern ist es ein Wunder, dass das Thema “Zugang der Kündigung” immer wieder die Gerichte beschäftigt. Wie kürzlich das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen: 2 AZR 213 23 ), das die Antwort auf die Frage “Wann geht eine Kündigung zu” nochmal konkretisiert hat.

Grundsätzliches zum Kündigungszugang

Was bedeutet der Zugang einer Kündigung – und wann genau erfolgt dieser Zugang? Eigentlich sagt das Wort “Zugang” schon eine Menge, nämlich, dass das Kündigungsschreiben persönlich übergeben bzw. per Post oder Boten zugestellt werden. Denn die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und wird nach § 130 Abs. 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem zu Kündigenden “zugeht”. Wichtig ist aber nicht nur, “dass” eine Kündigung zugeht, sondern vor allem auch “was” und “wann”. Denn eine Kündigung muss formale Voraussetzungen erfüllen. Und der genaue Zeitpunkt kann im Einzelfall extrem wichtig sein. Wie auch in dem Fall, den kürzlich das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte.

Warum ist der Kündigungs-Zugang so wichtig?

Der “Zugang” der Kündigung ist vor allem aus 2 Gründen wichtig:

  • Der Zugang einer Kündigung entscheidet darüber, ob die Kündigung überhaupt wirksam wird und wann das Arbeitsverhältnis endet. Die Kündigungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem die Kündigung beim Empfänger eingeht. Wenn die kündigende Person das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Datum beenden möchte, muss sie sicherstellen, dass die Kündigung rechtzeitig ankommt.
  • Außerdem startet der Erhalt der Kündigung eine wichtige Frist für eine Kündigungsschutzklage: Diese Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eingereicht werden. Wer sich gegen die Kündigung wehren möchte, muss diese Frist unbedingt einhalten.
AdobeStock_157502998.jpeg
Jetzt kostenlos Abfindung berechnen
  • Potenzielle Abfindungshöhe berechnen
  • Strategie zum Verhandeln einer fairen Abfindung
  • Passende Anwälte für Arbeitsrecht finden

Zum Abfindungsrechner

Was genau muss zugehen? 

Nach § 623  BGB gilt für eine Kündigung (ebenso wie für den Aufhebungsvertrag) ein strenges Schriftformerfordernis. Eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Auch im Jahr 2024 ist zwingend erforderlich, dass eine  „hard-copy“ Version, die in “nasser Tinte” unterschrieben wird, zugeht. Ein elektronisch erstelltes Kündigungsschreiben, muss ausgedruckt, seitens des Arbeitgebers eigenhändig mit “wet ink” (also Kuli, Füller, usw) unterschrieben werden.

Überflüssig zu sagen, dass das dauernd schief geht. Viele Arbeitgeber kennen die Zustellung von “mit echter Tinte unterschriebenen” Dokumenten außerhalb von Kündigungen kaum noch. Auch bei internationalen Unternehmen mit Hauptsitz außerhalb Deutschlands kann dieser rein papierhafte Prozess Irritationen und Fehler nach sich ziehen.

Und ganz wichtig: Die Unterschrift muss von einer zur Kündigung ermächtigten Person  erfolgen, also z.B. dem Geschäftsführer, Vorstand oder Personalchef. Auch das geht dauernd schief. 

Dass dieses komplizierte Prozedere mit “wet ink” und nachweislicher physischer Zustellung praktisch oder zeitgemäß ist, behaupten wir gar nicht. Was wir dagegen behaupten, ist, dass dies momentan einfach geltendes Recht (§ 623 BGB) ist. Und dass bei diesem komplizierten und mittlerweile auch total unüblichen Prozedere so viel schiefgehen kann, so dass die Regelungen für Arbeitnehmer extrem günstig sein können.  

Wann genau tritt der “Zugang” ein? 

Bei einer persönlichen Übergabe an den Empfänger tritt der Zugang sofort ein, unabhängig davon, wann oder ob der Empfänger das Schreiben tatsächlich liest. Ist der Empfänger abwesend, gilt die Kündigung als zugegangen, sobald sie in den “Einflussbereich” des Empfängers gelangt ist und dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen könnte. Wenn die Kündigung in den Briefkasten eingeworfen wird, gilt sie als zugegangen, sobald “nach allgemeiner Verkehrsanschauung” mit der nächsten Leerung des Briefkastens zu rechnen ist. Das sorgt vor allem bei Einwurf des Schreibens am Wochenende und am Nachmittag / Abend für Streit. Über die anzulegenden Maßstäbe gehen die Meinungen auseinander – und das ist im Einzelfall auch extrem wichtig (s.o.).  Kürzlich hat das Bundesarbeitsgericht (“BAG”; Aktenzeichen: 2 AZR 213 23), die Antwort auf die Frage “Wann genau geht eine Kündigung zu” nochmal konkretisiert:

Die Entscheidung des BAG

Der Arbeitgeber und die Klägerin hatten eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vereinbart. Im Streitfall ging es darum, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2021 gekündigt hatte. Das Kündigungsschreiben wurde am 30. September 2021 von einem Postboten in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen. Die Klägerin meinte jedoch, dass das Schreiben erst am 1. Oktober 2021 rechtlich zugestellt wurde, obwohl es bereits am 30. September im Briefkasten war. Sie argumentierte, dass die Zustellung nicht zu den üblichen Postzeiten erfolgte und sie deshalb nicht mehr am gleichen Tag mit Post rechnen konnte. Daher sollte das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 2022 bestehen bleiben.

Die Klage der Klägerin wurde jedoch in allen Instanzen, einschließlich des Bundesarbeitsgerichts, abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht entschied am 20. Juni 2024, dass eine Kündigung wirksam zugestellt ist, sobald sie in den Briefkasten geworfen wird und der Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, sie zur Kenntnis zu nehmen.

Wann ging die Kündigung also genau zu? Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gilt der Einwurf eines Schreibens in den Briefkasten als “zugestellt”, sobald der Empfänger mit der nächsten Leerung rechnen kann. Auch wenn Postzustellzeiten variieren können, muss damit gerechnet werden, dass die Zustellung während der Arbeitszeit der Postbediensteten und somit innerhalb der üblichen Zeiten erfolgt. Daher müssen Empfänger auch am späten Abend mit der Zustellung von Briefen rechnen. Besondere Umstände, die eine Zustellung außerhalb der üblichen Zeiten belegen würden, konnte die Klägerin nicht nachweisen. Damit hatte die Klägerin die Kündigung noch am 30. September 2021 zur Kenntnis nehmen können und die Kündigung war zum 31. Dezember 2021 wirksam.

Sonstiges – Wer muss den Zugang einer Kündigung und den Zeitpunkt beweisen?

In der Praxis ist das meistens eher unproblematisch – sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich über das “Ob” und “Wann” einer Kündigung einig sind und nur über deren Wirksamkeit gestritten wird. Das ist aber nicht immer der Fall. Und dann kommt es in der Praxis vor allem darauf an, wer den Zugang einer Kündigung und den Zeitpunkt beweisen muss.

Da ist die Rechtslage eigentlich ganz einfach: Wer kündigt, muss im Streitfall beweisen, dass die Kündigung tatsächlich zugegangen ist. Wenn der Arbeitgeber kündigt und der Arbeitnehmer den Erhalt der Kündigung bestreitet, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass und wann die Kündigung erfolgt ist. Das bedeutet konkret für die wichtigsten Übermittlungswege:

  • Briefpost: Eine Kündigung mit einfachem Brief bietet keinerlei Nachweis über den Zugang. Wenn der Empfänger behauptet, die Kündigung nicht erhalten zu haben, hat der Arbeitgeber ein Problem.
  • Einschreiben: Ein Einwurf-Einschreiben bietet schon einen besseren Nachweis, da der Postbote das Schreiben auch zustellt, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist. Es wird ein Zustellbeleg erstellt, der als Indiz für den Zugang gilt. Allerdings ist dieser Beleg auch kein endgültiger Beweis. Ein Einschreiben mit Rückschein bietet den Nachweis, dass die Kündigung zu einem bestimmten Datum zugestellt wurde. Trifft der Postbote den Empfänger jedoch nicht an, wird auch hier nur ein Benachrichtigungsschein hinterlassen. Die Kündigung gilt erst als zugestellt, wenn der Empfänger den Brief bei der Post abholt. Holt er den Brief nicht ab, ist die Kündigung grds. nicht wirksam zugestellt. Zwar kann das Gericht dies als missbräuchlich bewerten, aber dies hängt vom Einzelfall ab. Auch hier kann der Anwalt des Arbeitnehmers also gegen den Zugang argumentieren!
  • Zustellung per Boten: Arbeitgeber, die sicherstellen wollen, dass die Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt nachweisbar zugestellt wird, lassen diese oft durch einen – oder besser zwei – Boten zustellen. Da wird es dann für den Empfänger schwierig, den Zugang zu bestreiten.
Kostenlose Erstberatung mit Anwalt
Kostenlos Erstberatung mit Fachanwalt
  • Kostenlose Erstberatung mit Anwalt
  • Schneller Rückruf nach 1 bis 2 Stunden
  • Strategie zum Verhandeln der Abfindung

Zur kostenlosen Erstberatung

Alle Informationen auf unserer Website sind redaktioneller Natur und stellen ausdrücklich keine Rechtsberatung dar. Selbstverständlich haben wir uns um die Richtigkeit der auf dieser Website enthaltenen Informationen und Links bemüht. Dennoch können wir keine Gewähr für die Richtigkeit der Informationen übernehmen. Sie ersetzen in keinem Fall eine rechtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt.