Kündigung wegen psychischer Erkrankung oder Burnout? So wehren Sie sich

  • Timo Sauer
  • 9. Februar 2024
  • 11:28
Kündigung wegen psychischer Erkrankung

Eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung oder Burnout ist keine Seltenheit. Psychische Erkrankungen stehen im Zentrum gesellschaftlicher und betrieblicher Diskussionen. Dies spiegelt sich auch im Gesundheitsreport der Krankenkassen wider: Die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankung haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr als verdreifacht. In diesem Rahmen stellen sich verschiedene Fragen: Kann man aufgrund von einer psychischen Erkrankung gekündigt werden? Und wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dafür vorliegen? Und darf der Arbeitgeber Fragen zur psychischen Erkrankung stellen? Antworten darauf finden Sie im folgenden Blogbeitrag.


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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Strenge Voraussetzungen: Die Kündigung wegen psychischer Erkrankung ist unter strengen Voraussetzungen zulässig. Es müssen vier Voraussetzungen gegeben sein: Eine “negative Prognose”, eine erhebliche Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen, die Kündigung muss das “mildeste Mittel” sein und eine Interessenabwägung muss zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen.
  • Fragerecht des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber hat bei Vorliegen eines “berechtigten Interesses” ein Fragerecht.
  • Klage: Mittels einer Kündigungsschutzklage können Sie sich gegen eine Kündigung wehren. 

Darf überhaupt wegen einer psychischen Krankheit gekündigt werden?

Grundsätzlich gilt: Ja, der Arbeitgeber kann aufgrund einer psychischen Erkrankung kündigen! Allerdings ist dies nur unter besonders strengen Bedingungen zulässig. Wenn eine psychische Erkrankung vorliegt, kann das – wie bei körperlichen Krankheiten – als Grund für eine personenbedingte Kündigung herangezogen werden. Daher werden auch bei Kündigungen wegen psychischer Erkrankung dieselben Punkte wie bei der personenbedingten Kündigung geprüft. Jedoch ergeben sich bei den Prüfungsschritten im Einzelnen Besonderheiten bei psychischen Erkrankungen. 

Beispiele für psychische Krankheiten aufgrund derer Kündigungen ausgesprochen werden gehören beispielsweise:

  • Depressionen
  • Burnout
  • Angststörungen

Welche Voraussetzungen müssen für eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung gegeben sein?

Damit eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung rechtmäßig ist, müssen vier Voraussetzungen gegeben sein: 

1. Negative Gesundheitsprognose:

Nicht nur eine vorübergehende, sondern eine anhaltende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ist erforderlich, um von einer Negativprognose zu sprechen. Gerade die Prognostik bei psychischen Erkrankungen kann aus ethischen Gesichtspunkten heraus eine Herausforderung darstellen. Liegen jedoch erfolglose Behandlungsversuche wie Psychotherapien vor, könnte dies für eine negative Gesundheitsprognose sprechen. Ebenso kann die Beurteilung durch den Medizinischen Dienst oder einen Arzt eine dauerhafte Unfähigkeit zur Vertragserfüllung begründen. Bei Depressionen fordern Arbeitsgerichte hohe Nachweise, insbesondere wenn arbeitsbedingter Stress die Erkrankung begünstigt oder verursacht hat. Das ist für Sie als Arbeitnehmer von Vorteil, da viele Kündigungen an dieser hohen Hürde bereits scheitern!

2. Erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers:

Die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers müssen durch die Krankheit des Arbeitnehmers erheblich gestört sein. Das kann in Form von Lohnfortzahlungskosten für einen krankgeschriebenen Arbeitnehmer oder Betriebsablaufstörungen, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten nicht mehr verlässlich ausführen kann, auftreten. Das muss aber der Arbeitgeber beweisen. 

3. Kündigung als das mildeste Mittel:

Weiterhin muss geprüft werden, ob die Kündigung das mildeste Mittel ist. Gerade bei stressbedingten Depressionen kann eine Anpassung – etwa durch Teilzeitbeschäftigung, einen anderen Einsatzbereich oder durch Vermeidung von Schichtarbeit – zur Reduktion von Belastungen beitragen und stellt damit ein milderes Mittel zur Kündigung dar. Solche Anpassungsmaßnahmen müssen vom Arbeitgeber daher vorrangig in Betracht gezogen werden. Auch ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) kommt regelmäßig als milderes Mittel in Betracht. Der Arbeitgeber ist zur Einladung eines BEM verpflichtet, wenn der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank war.

Wichtig: Falls der Arbeitgeber Ihnen nicht ordnungsgemäß ein BEM anbietet, führt dies praktisch immer zur Unwirksamkeit der Kündigung! Wenn das Arbeitsverhältnis aber noch keine sechs Monate besteht oder es sich um einen Kleinbetrieb handelt, hat ein Verstoß des Arbeitgebers gegen diese Pflicht ausnahmsweise nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge!

4. Interessenabwägung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Am Ende muss noch eine sorgfältige Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers erfolgen. Ergibt die Abwägung, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist, ist die Kündigung rechtmäßig.

Wann darf der Arbeitgeber genauer nachfragen?

Ob Arbeitgeber nach psychischen Erkrankungen fragen dürfen, ist ein sensibles Thema und rechtlich schwierig zu beantworten. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber nur nach dem Gesundheitszustand fragen, wenn ein “berechtigtes Interesse” vorliegt. Das ist beispielsweise dann gegeben, wenn die Krankheit es dem Arbeitnehmer völlig unmöglich macht, seine Arbeit zu verrichten. Anders sieht es aus, wenn die psychische Erkrankung als Behinderung anerkannt wird. Dann darf der Arbeitgeber nie nachfragen! 

Fristlose Kündigung wegen psychischer Erkrankung – geht das?

Eine fristlose Kündigung ist eine extreme Maßnahme und bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sofort beendet wird. Bei einer psychischen Erkrankung ist eine fristlose Kündigung nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Dabei muss der Arbeitgeber erst nachweisen, dass die psychische Erkrankung einen wichtigen Grund darstellt, keine anderen Maßnahmen das Problem lösen können und es bei einer Gesamtbetrachtung dem Arbeitgeber noch nicht einmal zuzumuten ist, die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Dieser Beweis gelingt meistens nicht, weshalb eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber aufgrund einer psychischen Krankheit i.d.R nicht möglich ist.

Welche Alternativen zur Kündigung gibt es?

Manchmal kann es auch sein, dass der psychisch erkrankte Arbeitnehmer selbst nicht mehr weiter im Betrieb arbeiten möchte. Als Alternativen kommen hier insbesondere der Aufhebungsvertrag oder die Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer in Betracht. Während bei einer Eigenkündigung die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 BGB) eingehalten werden müssen, wird das Arbeitsverhältnis bei einem Aufhebungsvertrag einvernehmlich mit sofortiger Wirkung beendet. Hierbei muss der Arbeitnehmer jedoch unbedingt etwaige Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld beachten!

Wann droht die Sperre beim Arbeitsamt?

Wird dem Arbeitnehmer aufgrund einer psychischen Erkrankung gekündigt, drohen ihm keine Sperrzeiten beim Arbeitsamt. Anders sieht das ganze bei einer Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer oder bei einem Aufhebungsvertrag aus. Wenn kein wichtiger Grund vorliegt, geht man nämlich von einem “Selbstverschulden” aus, sodass Sperrzeiten verhängt werden können.

Tipp: Wenn ein Arzt Ihnen zur Kündigung rät, weil gerade die Arbeit die psychische Erkrankung verursacht, können Sie die Sperrzeit umgehen! Das müssen Sie der Bundesagentur für Arbeit jedoch erst beweisen.

Kündigung erhalten? Das müssen Sie jetzt tun!

Wie Sie jetzt bereits wissen, ist eine Kündigung aufgrund einer psychischen Erkrankung an hohe Hürden gebunden. Damit ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass eine krankheitsbedingt ausgesprochene  Kündigung nicht rechtmäßig ist. Daher ist es oft ratsam, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Dabei muss unbedingt die dreiwöchige Frist eingehalten werden.

Besonders die Prognose der weiteren gesundheitlichen Entwicklung stellt angesichts der Eigenheiten psychischer Erkrankungen eine anspruchsvolle Aufgabe für den Arbeitgeber dar. Als Arbeitnehmer haben Sie daher meist eine starke Verhandlungsposition. Wenn man im Gerichtstermin trotz unwirksamer Kündigung einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag vereinbart, kann man regelmäßig mit höheren Abfindungen rechnen!

Fazit

  • Die Kündigung wegen psychischer Erkrankung ist unter bestimmten Umständen zulässig, wobei seitens des Gesetzgebers und der Rechtsprechung strenge Kriterien angelegt werden.
  • Damit die Kündigung rechtmäßig ist, müssen vier Voraussetzungen gegeben sein: negative Prognose, erhebliche Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen, Kündigung als mildestes Mittel und die Interessenabwägung
  • Der Arbeitgeber hat bei Vorliegen eines “berechtigten Interesses” ein Fragerecht
  • Alternativen zur Kündigung sind der Aufhebungsvertrag und die Eigenkündigung. Dabei sollten aber stets etwaige Sperrzeiten beim Arbeitsamt im Blick behalten werden.
  • Mittels einer Kündigungsschutzklage können Sie sich gegen eine Kündigung wehren. Beachten Sie dabei die dreiwöchige Frist.

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