Kündigung wegen politischer Einstellung: Ist das erlaubt?

  • Timo Sauer
  • 4. September 2024
  • 14:37
Kündigung wegen politischer Einstellung: Ist das erlaubt?

Die politische Einstellung eines Arbeitnehmers und die Äußerung dieser Meinung werden durch das Grundgesetz geschützt. Allerdings kann diese Freiheit am Arbeitsplatz eingeschränkt werden, wenn die politische Betätigung das Arbeitsumfeld stört oder das Vertrauen im Betrieb beeinträchtigt. Der folgende Artikel fasst zusammen, wie die Meinungsfreiheit eines Arbeitnehmers dabei mit den Interessen des Arbeitgebers abgewogen wird – und wann Maßnahmen des Arbeitgebers bis hin zur Kündigung wegen politischer Einstellung zulässig sind.

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Politische Meinungsäußerung im Privaten und am Arbeitsplatz

Die (politische) Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein Grundrecht, das auch im Arbeitsrecht gilt – übrigens für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Allerdings ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht schrankenlos; es wird u.a. durch die allgemeinen Gesetze beschränkt. Häufig muss man beim Thema “politische Einstellungen am Arbeitsplatz” die Grundrechte verschiedener Parteien, z.B. von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, in Einklang bringen und Kompromisse finden. 

Aber was gilt z.B. bei Beleidigungen, politisch extremen Ansichten oder Äußerungen zu Betriebsinterna – sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatbereich (inklusive Social Media)? Zunächst kommt es auf den Kontext einer Meinungsäußerung an:

  • Solange kein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht, fallen Äußerungen von Mitarbeitern in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit des Arbeitgebers. Ausnahmen bilden der öffentliche Dienst und Tendenzbetriebe, bei denen politische, religiöse oder ähnliche Zielsetzungen den Kern des Unternehmenszwecks ausmachen (dazu unten). 
  • Am Arbeitsplatz dagegen kann der Arbeitgeber Vorgaben zum Verhalten auch im Bereich der Meinungsäußerung der Arbeitnehmer machen.

Kündigung wegen politischer Einstellung: Allgemeine Voraussetzungen

Generell ist die politische Einstellung und Meinungsäußerung auch am Arbeitsplatz durch die Meinungsfreiheit geschützt. Maßnahmen des Arbeitgebers – insbesondere Abmahnung und Kündigung – können jedoch gerechtfertigt sein, wenn politische Aktivitäten des Arbeitnehmers das Arbeitsumfeld ernsthaft stören oder das Unternehmensimage schädigen. 

Ein Arbeitnehmer kann verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn ein Mitarbeiter sich so verhält, dass der Betriebsfrieden gestört wird. Das gilt für Taten während der Arbeit, wie Beleidigungen oder das Verbreiten verfassungswidriger Symbole. Auch wenn ein Mitarbeiter außerhalb der Arbeit negativ auffällt — etwa durch politisch extreme Handlungen, die dem Ruf des Unternehmens schaden — kann das Konsequenzen haben. Wichtig ist aber, dass dieses Verhalten tatsächlich Auswirkungen auf den Betrieb hat. Ohne klaren Bezug zum Arbeitsverhältnis reicht ein privates Fehlverhalten oft nicht für eine Kündigung.

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Besonderheit: Politische Meinungsäußerung im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst gelten Besonderheiten, denn dort sind die Anforderungen an die politische Neutralität strenger. Zu unterscheiden ist danach, ob der Arbeitnehmer hoheitliche Befugnisse hat (oder nicht):

  • Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Befugnissen — also jene, die im Namen des Staates Entscheidungen treffen oder Verwaltungsakte ausführen — unterliegen besonders strengen Regeln. Dazu zählen etwa Polizisten, Mitarbeiter in Ordnungsämtern oder Personen, die Genehmigungen und Bescheide ausstellen. Verstöße gegen die demokratische Grundordnung – auch in der Freizeit – können eine Kündigung rechtfertigen. 
  • Beschäftigte im öffentlichen Dienst ohne hoheitliche Befugnisse müssen die demokratische Grundordnung respektieren, sie aber nicht aktiv unterstützen. Problematisch wird es, wenn ihr Verhalten verfassungsfeindliche Ziele fördert oder dem Ruf des Arbeitgebers schadet. So wurde einem Straßenreiniger rechtmäßig gekündigt, nachdem er auf Facebook ausländerfeindliche Äußerungen veröffentlicht hatte.

Besonderheit: Politische Meinungsäußerung im “Tendenzbetrieb”

Auch in sog. Tendenzbetrieben gelten Besonderheiten, wodurch die Meinungsfreiheit der Beschäftigten besonderen Regelungen unterliegt. Tendenzbetriebe sind Unternehmen oder Einrichtungen, deren Schwerpunkt auf einer geistig-ideellen Ausrichtung liegt, beispielsweise in den Bereichen Politik, Religion, Wissenschaft oder Medien (Religionsgemeinschaften, Presseunternehmen, Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören in der Regel dazu). 

Für die Meinungsfreiheit gelten in Tendenzbetrieben Besonderheiten. Grundsätzlich sollen Arbeitnehmer Meinungsäußerungen unterlassen, die der Tendenz des Arbeitgebers zuwiderlaufen. Dies gilt vor allem für sogenannte Tendenzträger, also Mitarbeitende, deren Tätigkeit unmittelbar mit der politischen, weltanschaulichen oder journalistischen Ausrichtung des Unternehmens verbunden ist. Sie sind verpflichtet, auch außerhalb der Arbeitszeit keine Äußerungen zu tätigen, die der Tendenz des Betriebs widersprechen und dessen Ansehen schädigen könnten. 

Natürlich bedeutet dies nicht, dass jede Meinungsäußerung automatisch zur Kündigung wegen politischer Einstellung berechtigt. Entscheidend ist, ob die Äußerung im Widerspruch zur grundsätzlichen Ausrichtung des Betriebs steht und dessen Interessen erheblich beeinträchtigt. So kann beispielsweise ein Journalist einer Zeitung mit klarer politischer Linie nicht ohne Weiteres für eine gegensätzliche politische Bewegung eintreten, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen zu riskieren. Die Grenze liegt dort, wo das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unzumutbar gestört wird.

Welche politischen Einstellungen sind besonders kritisch?

Eine politische Tätigkeit für eine Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen kann eine ordentliche Kündigung v.a. im öffentlichen Dienst rechtfertigen. Dabei muss im Kündigungsschutzprozess das Gericht i.d.R. entscheiden, ob eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Und das unabhängig davon, ob die Partei nach Art. 21 Abs. 2 GG verboten wurde. Verfassungswidrig ist eine Partei, die die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik gefährden will. Dies wollen wir in den folgenden Fallbeispiele für Kündigungen wegen politischer Einstellung noch etwas konkreter machen.

Kündigung wegen politischer Einstellung: Fallbeispiele

In einer Demokratie ist die politische Meinungsfreiheit essenziell, doch im Berufsleben kann sie zu Konflikten führen. Welche Konsequenzen hat es, wenn Arbeitnehmer wegen ihrer politischen Ansichten gekündigt werden? Wir beleuchten konkrete Fallbeispiele und erläutern die arbeitsrechtlichen Hintergründe.

Kündigung wegen AFD Mitgliedschaft

Bekennen sich Arbeitnehmer zu einer Partei – im privaten Bereich oder im Beruf – stellt dies zunächst keinen Kündigungsgrund dar. Eine Äußerung wie „ich mag die AfD“ ist aus arbeitsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht verboten. Die Mitgliedschaft in der AfD kann unter bestimmten Umständen eine Kündigung rechtfertigen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer aktiv für die Partei wirbt oder einige ihrer radikalen Positionen unterstützt. Eine Ausnahme ergibt sich also, wenn der Betriebsfrieden gestört ist. Dies gilt vor allem für Organisationen, die auf ein tolerantes und vielfältiges Arbeitsumfeld angewiesen sind, wie etwa im Sozialwesen. Arbeitgeber haben das Recht, solche Handlungen zu unterbinden, wenn sie die Integrität und die Werte des Unternehmens gefährden. Etwas anderes ergibt sich auch für Beschäftigte bei einem kirchlichen Träger. Hier können Aussagen, die den christlichen Werten zuwiderlaufen, arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. 

So rechtfertigte in einer aktuellen Entscheidung die aktive Tätigkeit in der AfD nicht automatisch eine Kündigung – In dem Fall ging es allerdings auch um einen Landesverband, der nicht vom Verfassungsschutz als gesichert rechtextrem eingestuft wurde.  

Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach
Kündigung wegen AFD Mitgliedschaft rechtswidrig: Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat entschieden, dass eine Kündigung einer Dozentin, die Gründungsmitglied der AFD Schleswig-Holstein war, fehlerhaft war. Das AG sah die Kündigung aufgrund der AFD-Mitgliedschaft als rechtswidrig an. Bestätigt wurde dies durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Kündigung wegen Mitgliedschaft in rechtsextremen Organisationen

Bekennen sich Arbeitnehmer im privaten Bereich oder im Beruf zu einer rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Partei, stellt dies nicht automatisch einen Kündigungsgrund dar. Ausnahmen gelten im öffentlichen Dienst (s.o.).

Eine politische Tätigkeit für eine Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, kann als Grund für eine ordentliche Kündigung im öffentlichen Dienst gelten, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Funktion und der Aufgaben des Arbeitgebers nicht mehr geeignet für seine Tätigkeit ist. Es kommt aber immer auf die konkrete Tätigkeit im Einzelfall an.

Selbst bei gesichert rechtsextremen Vereinigungen sind die Anforderungen der Gerichte an eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung streng. Selbst die Mitgliedschaft in gesichert rechtsextremen Vereinigung (hier: der NPD), wurde von den Arbeitsgerichten verneint.

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg:
Selbst im öffentlichen Dienst gibt es keine automatische Kündigung wegen einer Mitgliedschaft in der NPD. Das LAG Baden-Württemberg musste über die Klage eines Verwaltungsangestellten in einer Druckerei einer Oberfinanzdirektion entscheiden, der aktives Mitglied in der NPD und ihrer Jugendorganisation war. Der Arbeitgeber mahnte ihn zunächst wegen Aktivitäten für verfassungsfeindliche Organisationen ab und kündigte dann fristlos. Laut LAG steht die Mitgliedschaft oder Aktivität bei der NPD einer Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst nicht zwingend entgegen. Die bloße Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in der NPD reicht allein nicht aus, um eine (rechtmäßige) Kündigung wegen politischer Einstellung zu begründen. Die Mitgliedschaft und Aktivitäten in einer Partei, die – wie die NPD – verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, werfen lediglich Zweifel auf die Eignung des Arbeitnehmers. Aufgrund dieser Mitgliedschaft und Aktivitäten könnte man zunächst annehmen, dass sich der Arbeitnehmer nicht von den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei distanziert. Diese Annahme ist jedoch kein unumstößlicher Beweis, sondern lediglich ein Indiz. Für eine personenbedingte Kündigung reicht das nicht aus. Der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst muss konkret nachweisen, dass der Arbeitnehmer durch bestimmte, auf seine Person und Aufgaben abgestimmte Umstände Zweifel an seiner Verfassungstreue weckt. Dabei ist vor allem das bisherige dienstliche und private Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung.

Kündigung wegen rassistischer Parolen

Rassistische und fremdenfeindliche Parolen sind eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein Arbeitnehmer, der Kollegen oder Vorgesetzte rassistisch beleidigt, kann sich strafbar machen. Auch ohne Straftat können rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen einen Grund für eine (auch: fristlose) Kündigung darstellen. Vor allem Äußerungen mit volksverhetzendem Inhalt können eine Kündigung rechtfertigen. Das gilt aber auch hier nicht automatisch, und selbst bei krassen rassistischen Beleidigungen muss “eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen”. 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG):
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied zugunsten eines LKA-Angestellten, der auf Facebook rassistische und beleidigende Kommentare gepostet hatte. Obwohl sein Arbeitgeber ihn daraufhin fristlos kündigte, hielten sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unverhältnismäßig. Das BAG bestätigte diese Entscheidung, da der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist in weniger sicherheitsrelevanten Bereichen hätte eingesetzt werden können. Das Urteil verdeutlicht, dass selbst bei rassistischen Äußerungen noch eine Interessenabwägung erforderlich ist. Eine Ausnahme ergibt sich jedoch, wenn der Betriebsfrieden oder der Betriebsablauf gestört ist (bspw. rassistische Beleidigung oder aggressives Beeinflussen). Dies gilt vor allem für Organisationen, die auf ein tolerantes und vielfältiges Arbeitsumfeld angewiesen sind, wie etwa im Sozialwesen. Arbeitgeber haben das Recht, solche Handlungen zu unterbinden, wenn sie die Integrität und die Werte des Unternehmens gefährden. 

Kündigung wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus 

Äußerungen, die den Holocaust verharmlosen, stellen in der Regel einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Insbesondere im beruflichen Umfeld können derartige Äußerungen das Vertrauen des Arbeitgebers erschüttern und das Ansehen des Unternehmens erheblich gefährden. Ob eine außerordentliche Kündigung in solchen Fällen wirksam ist, hängt jedoch stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend sind dabei unter anderem die Stellung des Mitarbeiters, sein Aufgabenbereich, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, mögliche frühere Abmahnungen sowie das konkrete Umfeld, in dem die Äußerung getätigt wurde. Dass eine entsprechende Pflichtverletzung sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, zeigt ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg:

Urteil des LAG Berlin-Brandenburg:
Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines leitenden Vertriebsmitarbeiters, nachdem er in einem Kundengespräch die nationalsozialistischen Verbrechen infrage gestellt hatte. Laut LAG sind Unternehmen nicht verpflichtet, eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Kundenbeziehungen oder eine ernsthafte Gefährdung ihres Ansehens hinzunehmen. Das Gericht stellte klar, dass die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB auch beinhaltet, bei dienstlichen Veranstaltungen auf Äußerungen zu verzichten, die nationalsozialistische Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung infrage stellen oder verharmlosen. Dies gilt unabhängig davon, ob vergleichbare Äußerungen außerhalb des beruflichen Umfelds durch die Meinungsfreiheit geschützt werden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

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