Betriebsbedingte Kündigung: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?

  • Timo Sauer
  • 29. September 2023
  • 11:21
Betriebsbedingte Kündigung

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schreibt zur betriebsbedingten Kündigung vor, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis nur dann beenden kann, wenn ein “sozial gerechtfertigter” Kündigungsgrund gegeben ist. Neben den persönlichen Eigenschaften und dem Verhalten des Arbeitnehmers können Kündigungen auch auf betrieblichen Gründe basieren. Im folgenden Artikel erfahren Sie das Wichtigste zu den Voraussetzungen und  Abfindungsansprüchen bei einer betriebsbedingten Kündigung.

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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Gründe: Inner- und außerbetriebliche Gründe können zu betriebsbedingten Kündigungen führen.
  • Voraussetzungen: Damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtmäßig ist, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und eine geeignete Sozialauswahl getroffen werden.
  • Abfindung: Oftmals bestehen bei betriebsbedingten Kündigungen gute Aussichten auf eine Abfindung.

Welche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung gibt es?

Bei einer betriebsbedingten Kündigung unterscheidet man zwischen inner- und außerbetrieblichen Gründen, die zum Wegfall der Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers führen. Kurz gesagt: Außerbetriebliche Gründe kommen von außerhalb des Unternehmens und innerbetriebliche Gründe entstehen innerhalb des Unternehmens.

Außerbetriebliche Gründe: 
  • Auftragsrückgang und sinkende Umsätze: Eine schlechte Auftrags- und Finanzlage ist ein typischer außerbetrieblicher Grund für betriebsbedingte Kündigungen. Gerade aktuell ist die Lage der deutschen Wirtschaft nicht gut (Stand Juli 2024). Die Stimmung ist schlecht, und aktuell ist keine Besserung in Sicht, wie die jüngste Konjunkturumfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln zeigt. Insbesondere in der Industrie und in der Bauwirtschaft sind die Aussichten schlecht. Diese Entwicklung könnte erstmals seit langem auch den Arbeitsmarkt belasten. Mehr als ein Drittel der vom IW befragten Unternehmen – vor allem in der Industrie – rechnen damit, Stellen abbauen zu müssen. Unternehmen wie beispielsweise ZF Friedrichshafen, Continental, Bayer oder Intel haben bereits in der letzten Monaten Massenentlassungen angekündigt. Allerdings muss der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen vor Gericht beweisen, dass er langfristig weniger Arbeit zu vergeben hat. Alternativ kann ein Arbeitgeber bei Rückgängen von Aufträgen und/oder Umsätzen sich entscheiden, sein Geschäft neu zu organisieren, um die Unternehmensstruktur der neuen Situation langfristig anzupassen. In der Regel führt dies leider auch zur Eliminierung von Positionen.
  • Wegfall von Drittmitteln oder Subventionen: Wenn Drittmittel oder Subventionen gestrichen werden, können ebenfalls Arbeitsplätze wegfallen.
Innerbetriebliche Gründe:
  • Umstrukturierung zur Modernisierung: Eine Neugestaltung des Unternehmens kann auch dann eingeleitet werden, wenn der Arbeitgeber es für erforderlich hält, sein Unternehmen zu modernisieren. Arbeitgeber können Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen entlassen, wenn ein vernünftiger Plan dies rechtfertigt. 
  • Schließung des Betriebs: Wenn Umgestaltungen und Anpassungen keinen Erfolg haben, kann es dazu kommen, dass ein Arbeitgeber seinen Betrieb schließt.

Wichtig: Im Unterschied zur Betriebsstilllegung ist eine betriebsbedingte Kündigung bei einem Betriebsübergang nicht zulässig.

  • Insolvenz: Wird ein Insolvenzverfahren über den Arbeitgeber eröffnet, liegt die Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens in der Regel beim Insolvenzverwalter. Die Insolvenz führt zwar nicht automatisch zur Kündigung, jedoch legt der Insolvenzverwalter fest, ob der Betrieb oder Teile davon geschlossen werden sollen oder ob es notwendig ist, Rationalisierungsmaßnahmen einzuleiten. In solch einem Fall erfolgt die Kündigung durch den Insolvenzverwalter und nicht durch den Arbeitgeber selbst. 

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Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt?

Damit eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten und eine geeignete Sozialauswahl getroffen werden.

1. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Das bedeutet, dass die Kündigung nur dann berechtigt ist, wenn sie unvermeidbar ist. Gibt es mildere Mittel, die in Betracht kommen, sind diese vorrangig zur Kündigung. Beispiele für solch mildere Mittel sind die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, die Versetzungsmöglichkeit nach einer zumutbaren Umschulung des Arbeitnehmers oder die Änderungskündigung.

2. Sozialauswahl

Außerdem muss der Arbeitgeber eine geeignete Sozialauswahl getroffen haben. Hierbei müssen insbesondere folgende Kriterien bei der Kündigung berücksichtigt werden: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers.

Beispiel: Ein junger Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten wird eher gekündigt als eine Arbeitnehmerin, die bereits jahrelang im Betrieb angestellt ist und unterhaltspflichtig ist. Der junge Arbeitnehmer hat nämlich weniger “Sozialpunkte” und ist daher stärker von einer Kündigung bedroht. Wird aber die ältere Arbeitnehmerin vor dem jüngeren Kollegen gekündigt, stehen die Chancen gut, dass sie vor Gericht Recht bekommt!

Tipp: Die Sozialauswahl ist in der Praxis – einzelfallabhängig – fehleranfällig. Versucht man diese im Rahmen einer Kündigungsschutzklage anzugreifen, stehen die Chancen im Einzelfall sehr gut, dass das Gericht erklärt, dass der Arbeitgeber eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen hat. Die Kündigung ist dann unwirksam. Und wenn man z.B. im Gerichtstermin dann trotz unwirksamer Kündigung einvernehmlich eine Beendigung verhandelt, ist die Abfindung dadurch meist deutlich höher! Wann genau das möglich ist, kann aufgrund der zahlreichen Ausnahmen am besten ein Anwalt beurteilen.

Gegen die Sozialauswahl kann man natürlich nur dann vorgehen, wenn es nach den Kündigungen überhaupt noch einen Betrieb gibt. Wird ein Betrieb komplett stillgelegt und alle Arbeitnehmer entlassen, findet keine Sozialauswahl statt, die man angreifen könnte.

Ein gekündigter Arbeitnehmer kann die genauen Kriterien und Gründe – vor allem die sozialen Umstände seiner Kollegen – natürlich nicht kennen. Daher kann sein Anwalt zunächst nur anführen, dass die Sozialauswahl grundsätzlich beanstandet wird und verlangen, dass der Arbeitgeber über die Details Auskunft erteilt. Liefert der Arbeitgeber die entsprechenden Bewertungsmaßstäbe, muss der Anwalt des gekündigten Arbeitnehmers die Unrichtigkeit der Vorgehensweise oder der Bewertungsannahmen darstellen und ggf. beweisen.

Erst nachdem ein inner- oder außerbetrieblicher Grund vorliegt, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurde und die sozialen Kriterien berücksichtigt wurden, kann eine betriebsbedingte Kündigung demnach rechtmäßig sein. 

Welche Kündigungsfrist und Formvorschriften gelten bei betriebsbedingten Kündigungen?

Eine ordentliche Kündigung führt nicht sofort zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr läuft das Beschäftigungsverhältnis bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter. Die gesetzlich festgelegte Kündigungsfrist gilt, es sei denn, es gibt abweichende Bestimmungen im Arbeits- oder Tarifvertrag. Die Länge der Kündigungsfrist hängt davon ab, wie lange eine Person bereits beim Unternehmen beschäftigt ist. Arbeits- und Tarifverträge können innerhalb bestimmter Grenzen andere Fristen festlegen. Die exakten Zeitspannen der Kündigungsfristen sind im § 622 BGB festgelegt. Während der Probezeit gilt eine verkürzte Kündigungsfrist von nur zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB). Außerdem muss zwingend die Schriftform eingehalten werden.

Zu beachten sind weiterhin die besonderen Kündigungsschutzregelungen für Betriebsratsmitglieder, Schwangere und Schwerbehinderte, Auszubildende sowie Arbeitnehmer in Elternzeit. Außerdem muss der Betriebsrat angehört werden (wenn es einen gibt).

Besteht Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung?

Es gibt keine allgemeine Pflicht für Arbeitgeber, ihren Angestellten bei einer Entlassung eine Abfindung auszuzahlen. Daher hängt es vom Arbeitgeber persönlich ab, ob eine solche Leistung gewährt wird oder nicht. Trotzdem bestehen bei betriebsbedingten Kündigungen oftmals gute Aussichten auf eine Abfindung. Arbeitnehmer könnten potenziell in den folgenden Szenarien eine Abfindung erwarten: 

  • Bei der Neuplanung oder Schließung eines Betriebs ist es nicht ungewöhnlich, dass Arbeitgeber und Betriebsrat Maßnahmen im Sozialplan festlegen, die den betroffenen Arbeitnehmern zugutekommen. Oft ist hier eine Abfindung vorgesehen. 
  • Im Falle einer Kündigungsschutzklage vom Arbeitnehmer können beide Parteien vor Gericht eine Einigung erzielen. Hier einigt man sich in der Regel darauf, dass der Arbeitnehmer die Kündigung im Austausch für eine Abfindung hinnimmt. 
  • Arbeitgeber können Arbeitnehmern bei betriebsbedingten Kündigungen eine Abfindung anbieten, wenn diese sich verpflichten, keine Klage gegen die Kündigung einzureichen (§ 1a KSchG). Diese beträgt kraft Gesetzes 0.5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. 

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Unser Fazit zur betriebsbedingte Kündigung

  • Fehlende Arbeitsaufträge, sinkende Einnahmen, Betriebsneuausrichtungen, Betriebsschließungen oder auch Insolvenz können zu betriebsbedingten Kündigungen führen.
  • Damit eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten und eine geeignete Sozialauswahl getroffen werden.
  • Die Kündigungsfrist und das Schriftformerfordernis sind einzuhalten.
  • Arbeitnehmer haben generell kein Anrecht auf eine Abfindung, dennoch stehen die Chancen auf diese Leistung recht gut.
  • Es bleibt nur ein kurzer Zeitraum von drei Wochen, um eine Kündigung anzufechten. Wegen der potenziellen Fehler bei einer betriebsbedingten Kündigung sollten Arbeitnehmer ihre Entlassung definitiv von einem Arbeitsrechtsexperten überprüfen lassen.
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