Betriebsbedingte Kündigung: Voraussetzungen und Abfindung

  • Timo Sauer
  • 29. August 2024
  • 11:21
Betriebsbedingte Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung gehört zu den drei nach Kündigungsschutzgesetz zulässigen Kündigungsarten. Sie kann ausgesprochen werden, wenn Arbeitsplätze aufgrund betrieblicher Erfordernisse wegfallen. Die Wirksamkeit einer solchen Kündigung hängt jedoch von strengen gesetzlichen Anforderungen ab, wie etwa der Prüfung, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiter beschäftigen kann. Außerdem muss der Arbeitgeber im Rahmen einer Sozialauswahl ggf. festlegen, welchen – von mehreren – Mitarbeitern er kündigt. Der folgende Beitrag diskutiert diese und weitere Aspekte – u.a. zur Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung – sowie zahlreiche Beispiele für betriebsbedingte Kündigungen.

Bedeutung der betriebsbedingten Kündigung

Die betriebsbedingte Kündigung ist – neben der verhaltens– und personenbedingten Kündigung – eine der drei Kündigungsarten unter dem Kündigungsschutzgesetz. Die betriebsbedingte Kündigung ist allerdings die wichtigste: Etwa 75% aller Kündigungen sind “betriebsbedingt“:

Zwar hatte die Bedeutung betriebsbedingter Kündigungen in den letzten Jahren etwas abgenommen. Die gute Konjunktur und genereller Fachkräftemangel hatten dazu geführt, dass Unternehmen seltener betriebsbedingte Kündigungen aussprachen. Das ändert sich aber momentan. Neben bekannten Firmen wie Volkswagen und Mercedes erkennen viele kleine und mittelständische Unternehmen, dass sie Personal abbauen müssen. Oft reagieren sie mit betriebsbedingten Kündigungen, was sich u.a. in einer steigenden Zahl von Kündigungsschutzklagen niederschlagen wird.

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Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann rechtmäßig, wenn drei zentrale Voraussetzungen alle erfüllt sind:

  • Dringendes betriebliches Erfordernis: Es muss ein „dringendes betriebliches Erfordernis“ vorliegen, das den Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge hat. Der Arbeitgeber muss nachweisen können, dass eine dauerhafte Reduzierung des Personalbedarfs vorliegt. Dabei verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Kündigung das letzte Mittel (ultima ratio) sein muss. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren milderen Maßnahmen zu prüfen.
  • Sozialauswahl: Der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl treffen – also bei mehreren vergleichbaren Arbeitsplätzen nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden, welchen Mitarbeitern gekündigt wird. Die Auswahlkriterien sind im Kündigungsschutzgesetz festgelegt: Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Eine fehlerhafte Sozialauswahl macht die Kündigung unwirksam.
  • Keine alternative Weiterbeschäftigung: Schließlich dürfen keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen bestehen. Der Arbeitgeber muss ggf. auch weniger attraktive Positionen und unternehmensweit prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung möglich ist.

1. Dringende betriebliche Erfordernisse

Eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Da das Gesetz keine genaue Definition bietet, hat die Rechtsprechung hierzu zwei Fallgruppen entwickelt:

Außerbetriebliche Gründe bei betriebsbedingter Kündigung

Diese liegen außerhalb des Betriebs, müssen aber konkret auf den Betrieb wirken, etwa durch Auftragsrückgang, Absatzprobleme, Umsatzverluste oder Marktveränderungen. Allgemeine wirtschaftspolitische Entwicklungen reichen nicht aus.

Beispiel für außerbetriebliche Gründe

Beispiele für außerbetriebliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung sind Absatzprobleme durch mangelnde Aufträge, Umsatzrückgänge oder Marktveränderungen, wirtschaftliche Schwierigkeiten wie Margenprobleme aufgrund hoher Kosten oder der Wegfall von Drittmitteln, insbesondere im Forschungsbereich. Auch Rohstoffmangel, der Entzug von Subventionen, Sanktionen auf Produkte zählen zu den von außen bedingten Faktoren.

Innerbetriebliche Gründe bei betriebsbedingter Kündigung

Innerbetriebliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung ergeben sich aus unternehmerischen Entscheidungen, die zu strukturellen oder organisatorischen Veränderungen führen und dadurch Arbeitsplätze überflüssig machen. Hierzu zählen Umstrukturierungen, Änderung von Arbeits- oder Produktionsmethoden, Rationalisierungsmaßnahmen oder die Vergabe von Tätigkeiten an externe Dienstleister. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen nachhaltig den Beschäftigungsbedarf verringern und die Entscheidung des Arbeitgebers final getroffen wurde – eine Umsetzung später reicht aus.

Beispiel für innerbetriebliche Gründe

Beispiele für innerbetriebliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung sind die Stilllegung einzelner Filialen (z.B. einer Supermarkt- oder Warenhauskette), die Zusammenlegung von Abteilungen, Restrukturierungen, Produktionsverlagerungen oder -einschränkungen sowie die Umstellung der Produktion, etwa durch neue Maschinen oder Fertigungsmethoden. Auch Outsourcing, also die Auslagerung von Aufgaben an Dritte (auch: Zeitarbeitsfirmen) zählt zu den innerbetrieblichen Gründen.

2. Sozialauswahl

Zweite Voraussetzung für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung ist die Sozialauswahl. Oft geht die Sozialauswahl schief, wenn der Arbeitgeber die Auswahlkriterien fehlerhaft anwendet oder wichtige soziale Merkmale unzureichend berücksichtigt. Ist die Sozialauswahl fehlerhaft (bei Interessenausgleich: grob fehlerhaft), führt das zur Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung.

Zunächst muss bestimmt werden, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen werden. Hierbei können bereits Fehler auftreten. Eine grob fehlerhafte Bildung der Vergleichsgruppe liegt vor, wenn der Personenkreis nach unsachlichen Kriterien eingegrenzt wird, sodass eigentlich vergleichbare Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl unbegründet ausgeschlossen werden.

Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Sozialauswahl prüfen, welche Beschäftigten besonders schutzwürdig sind. Dabei werden folgende soziale Kriterien berücksichtigt:

  • Lebensalter
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Bestehende Unterhaltspflichten
  • Evtl. Schwerbehinderung

Für jedes Kriterium werden Punkte vergeben. Die Summe dieser Punkte zeigt, wie stark der jew. Arbeitnehmer sozial geschützt ist. Auf dieser Grundlage wird eine Rangfolge erstellt. Beschäftigte mit einer hohen Punktzahl gelten als besonders schutzwürdig und sind daher bei einer Kündigung weniger stark gefährdet als Personen mit niedriger Punktzahl.

Beispiel für ein Punkteschema für die Sozialauswahl
  • Betriebszugehörigkeit: Für jedes Jahr im Unternehmen gibt es bis zum zehnten Jahr jeweils 1 Punkt. Ab dem elften Jahr erhält man pro Jahr 2 Punkte. Dabei werden nur die Dienstjahre gezählt, die bis zum vollendeten 55. Lebensjahr erreicht wurden. Insgesamt können so höchstens 70 Punkte für die Betriebszugehörigkeit erzielt werden.
  • Lebensalter: Für jedes vollendete Lebensjahr bis zum 55. Lebensjahr wird 1 Punkt vergeben. Die maximale Punktzahl in diesem Bereich liegt bei 55.
  • Unterhaltspflichten: Für jedes unterhaltsberechtigte Kind werden 4 Punkte angerechnet. Verheiratete Personen erhalten zusätzlich 8 Punkte.
  • Schwerbehinderung: Liegt eine anerkannte Schwerbehinderung mit einem Grad von bis zu 50 % vor, werden 5 Punkte vergeben. Für jede weitere 10 % über 50 % gibt es je 1 zusätzlichen Punkt.

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Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung

Für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung müssen – neben den oben dargestellten Kündigungsgründen – natürlich auch die allgemeinen Formvorschriften und gesetzlichen Kündigungsfristen eingehalten werden. Wird z.B. die Schriftform nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam, unabhängig z.B. von der Sozialauswahl.

Existiert ein Betriebsrat, muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden. Die Anhörung muss alle relevanten Informationen enthalten, damit der Betriebsrat die Kündigung sachgerecht beurteilen kann. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern ist zusätzlich die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Diese Verfahrensvorschriften sind zwingend einzuhalten, andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Bei Massenentlassungen gelten weitere Anforderungen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist grundsätzlich unwirksam, wenn die erforderliche Massenentlassungsanzeige fehlt.

Wichtig ist auch, dass bestimmte Arbeitnehmergruppen besonderen Kündigungsschutz genießen. Betriebsratsmitglieder, Schwangere, Beschäftigte in Elternzeit und schwerbehinderte Menschen können nur unter erschwerten Bedingungen gekündigt werden. Für diese Gruppen gelten zusätzliche Verfahrensvorschriften. Werden diese nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam.

Arbeitslosengeld bei betriebsbedingter Kündigung

Wer aus betrieblichen Gründen gekündigt wird, hat in der Regel Anspruch auf Arbeitslosengeld. Bei einer betriebsbedingten Kündigung droht normalerweise keine Sperrzeit, da die Kündigung nicht vom Arbeitnehmer selbst verursacht wurde. Die Agentur für Arbeit prüft im Einzelfall, ob die Kündigung tatsächlich aus betrieblichen Gründen erfolgt ist. Die allgemeinen Voraussetzungen für das ALG müssen natürlich vorliegen d.h. man muss in den letzten 30 Monaten mindestens 12 Monate gearbeitet und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Außerdem muss man sich spätestens drei Monate vor Ende des Jobs bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden.

Bei einer betriebsbedingten Kündigung gibt es wie oben beschrieben i.d.R. keine Sperrzeit, weil man selbst „nichts für die Kündigung kann“. Etwas anderes kann dann gelten, man nach einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhält (dazu unten). Die Abfindung wird von der Agentur für Arbeit als Ersatzleistung gewertet und kann zu einer Sperrzeit führen, wenn sie eine bestimmte Höhe überschreitet. 

Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung

Wird ein Arbeitsverhältnis infolge einer betriebsbedingten Kündigung beendet, erhalten viele Arbeitnehmer eine Abfindung als finanziellen Ausgleich – auch wenn ein zwingender gesetzlicher Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung in der Regel nicht besteht.1 Arbeitgeber bieten aber Abfindungen häufig freiwillig an, um kostenintensive und langwierige arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Höhe der Abfindung bei Kündigung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Orientierung bieten Richtwerte, die sich insbesondere an der Art und rechtlichen Wirksamkeit der Kündigung, der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie an der Stärke möglicher Einwendungen – etwa gegen die Sozialauswahl oder formale Mängel – orientieren. Unser Artikel zur Abfindung bei Kündigung informiert umfassend zur Höhe der Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung.

Betriebsbedingte Kündigung: Was tun?

Im Falle einer Kündigung ist zunächst wichtig wichtig, Ruhe zu bewahren und keine Fehler zu machen:

  • Kündigungsschreiben prüfen: Stellen Sie sicher, dass die Kündigung schriftlich und eigenhändig unterschrieben ist.​
  • Nichts unterschreiben: Auf keinen Fall Aufhebungsverträge oder andere Dokumente zu unterzeichnen.​
  • Fristen beachten: Notieren Sie die 3-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage und entscheiden Sie – ggf. mit Ihrem Anwalt – ob Sie sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen wollen. Ggf. auch nur zur Fristwahrung, wenn parallel Verhandlungen über eine einvernehmliche Lösung geführt werden. Nach Ablauf der Frist gilt die Kündigung nämlich als wirksam. Melden Sie sich innerhalb von drei Tagen arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit.
  • Rechtliche Beratung: Nutzen Sie die Möglichkeit einer kostenlosen Erstberatung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Optionen und mögliche Abfindungen zu besprechen.​
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Häufig gestellte Fragen (FAQs)

  1. Eine Ausnahme ist der Anspruch nach § 1a KSchG bei betriebsbedingter Kündigung, der allerdings nur 0,5 x Gehalt x Beschäftigungsjahre beträgt. ↩︎

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