Fristlose Kündigung des Arbeitsvertrags: Gründe & Voraussetzungen

  • Timo Sauer
  • 29. Juni 2024
  • 22:54
Fristlose Kündigung

Eine fristlose Kündigung (auch “außerordentliche Kündigung”) beendet das Arbeitsverhältnis sofort – ohne jede Frist. Dies hat erhebliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer. Es führt zu plötzlichem Einkommensverlust, Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld – und kann sich auch für die weitere Karriere negativ auswirken. Damit eine solche fristlose Kündigung wirksam ist, müssen allerdings strenge Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss insbesondere ein „wichtiger Grund“ vorliegen, der die Fortsetzung der Beschäftigung für den Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist “unzumutbar” macht. Da die Arbeitsgerichte hier sehr hohe Anforderungen stellen, halten fristlose Kündigungen einer rechtlichen Prüfung vor Gericht ganz häufig nicht stand. Dies auch deswegen, weil die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen “ab Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen” erfolgen kann.

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Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Die fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, d.h. ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist. Für die Wirksamkeit einer solchen fristlosen Kündigung müssen strenge Voraussetzungen erfüllt sein: 
  • Es muss insbesondere ein wichtiger Grund vorliegen und eine Interessenabwägung durchgeführt werden. Das heißt: Es müssen objektive Tatsachen im Einzelfall vorliegen, die ein erhebliches Fehlverhalten darstellen. Dieses muss geeignet sein, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar zu machen.
  • Wichtig: Eine fristlose Kündigung kann nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der maßgebenden Gründe erfolgen, § 626 Absatz 2 BGB. 
  • Kündigungsschutzklage: Wollen Sie sich gegen eine fristlose Kündigung wehren, müssen Sie innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einreichen.

Was ist eine fristlose Kündigung?

Eine fristlose (auch:“ außerordentliche“) Kündigung ist eine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis – ohne Einhaltung der Kündigungsfrist – sofort beendet. wird. Das bedeutet, dass die normalerweise vorgeschriebene Kündigungsfrist bei einer fristlosen Kündigung nicht eingehalten wird. Daher muss (und: darf) der Arbeitnehmer ab Zugang der Kündigung nicht mehr arbeiten. Der Arbeitgeber muss bei wirksamer fristloser Kündigung auch sofort kein Gehalt mehr zahlen. Das ist der wichtigste Unterschied zur ordentlichen Kündigung

Eine fristlose Kündigung kann sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Sie ist jedoch nur dann rechtswirksam, wenn ein wichtiger, schwerwiegender Grund vorliegt, und in dessen Folge die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „auch nur noch einen weiteren Tag“ für eine Vertragspartei unzumutbar ist. Die Anforderungen der Arbeitsgerichte sind hier extrem streng. Übrigens sind die Voraussetzungen der fristlosen Kündigung in § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – also nicht im Kündigungsschutzgesetz – geregelt. Und ob man von einer fristlosen Kündigung oder einer außerordentlichen Kündigung spricht, ist übrigens egal. Beide Begriffe meinen das gleiche.

Welche Voraussetzungen gelten bei einer fristlosen Kündigung?

Das Arbeitsrecht in Deutschland ist bekanntlich tendenziell eher arbeitnehmerfreundlich. Das gilt auch für „fristlose“ Kündigungen. Deren Voraussetzungen sind in § 626 BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch) geregelt. Arbeitgeber oder Arbeitnehmer können danach das Arbeitsverhältnis (nur) dann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Diese Merkmale werden von der Rechtsprechung – auf Grund der erheblichen Konsequenzen v.a. für Arbeitnehmer bei Kündigung durch den Arbeitgeber – arbeitnehmerfreundlich interpretiert. Im Einzelnen hat eine (wirksame) fristlose Kündigung also nach der Rechtsprechung folgende Voraussetzungen:

Erste Voraussetzung: “wichtiger Grund”

Wann ein “wichtiger Grund” vorliegt, ist im Gesetz nicht näher definiert. Es handelt sich also hier um einen “unbestimmten Rechtsbegriff”. Dies bedeutet, dass die Gerichte diesen Begriff im Einzelfall auslegen und konkretisieren. Aufgrund der Entscheidungsspielräume im Einzelfall gibt es daher verschiedene Fallgruppen. Es muss aber auf jeden Fall ein erhebliches Fehlverhalten vorliegen, das geeignet ist, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar zu machen. Dazu gehören nach der Rechtsprechung folgende Beispiele: 

  • Betrug zulasten des Arbeitgebers, z.B. durch Vortäuschen einer Krankheit
  • Andere Straftaten, die den Arbeitgeber schädigen, z.B. Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, etc.
  • Sonstige Straftaten am Arbeitsplatz, wie Körperverletzungen und Nötigungen am Arbeitsplatz gegenüber Kollegen, Kunden, Geschäftspartnern 
  • Schwerwiegende Verstöße gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, wie der Verrat von Betriebsgeheimnissen oder eine unberechtigte Selbstbeurlaubung 
  • Nicht erlaubte Konkurrenztätigkeit im laufenden Arbeitsverhältnis bei unmittelbaren Konkurrenten trotz Wettbewerbsverbot
  • Sonstiges, z.B. Kündigung wegen Mobbing, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Naziparolen oder der Hitlergruß am Arbeitsplatz 
Zweite Voraussetzung: „Interessenabwägung“

Sind die objektiven Tatsachen an sich geeignet, eine fristlose Kündigung auszusprechen, ist im nächsten Schritt eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das bedeutet:

  • Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Abwägungskriterien sind dabei: Welches Fehlverhalten liegt vor (Art, Schwere, Häufigkeit der Verstöße) Wie stark wurde das Vertrauen beschädigt? Wie schwer waren die Verstöße? Welche betrieblichen Störungen sind entstanden? Welcher wirtschaftliche Schaden hat das Fehlverhalten verursacht? Geschäftsschädigung? Ist das Fehlverhalten dem Arbeitnehmer vorwerfbar? Wie lange dauerte seine Betriebszugehörigkeit? Gibt es Unterhaltspflichten?  
  • Es darf keine milderen Mittel zur fristlosen Kündigung geben (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
  • Zu diesem Grundsatz gehört auch die Frage, ob Abmahnungen vorliegen müssen. Grundsätzlich gilt: (1) Gibt es bereits Abmahnungen bezüglich des gleichen Fehlverhaltens, kann dies für Wirksamkeit der Kündigung sprechen. (2) Grundsätzlich bedarf es keiner Abmahnung bei schwerwiegenden Verstößen, die der Arbeitgeber offensichtlich nicht hinnehmen muss (Beispiel: schwerer Betrug gegenüber dem Arbeitgeber o.Ä.). 
  • Die Interessenabwägung muss immer mit dem Gedanken erfolgen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist. 
  • Eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung ist nicht erforderlich. 
  • Im Ergebnis müssen die Interessen des Kündigenden (meist der Arbeitgeber) gegenüber den Interessen des Gekündigten (meist Arbeitnehmer) eindeutig überwiegen.
Dritte Voraussetzung: Einhaltung der Zwei-Wochenfrist

 Eine fristlose Kündigung kann nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen, § 626 Absatz 2 BGB. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem derjenige, der die Kündigung ausspricht, von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Weiter muss die Kündigung dem Arbeitnehmer innerhalb dieses Zeitraums zugehen

Wichtig: Kündigt Ihnen der Arbeitgeber fristlos, obwohl ihm der Kündigungsgrund schon mehr als zwei Wochen bekannt ist, ist die Kündigung unwirksam! Die Einhaltung der Zwei-Wochenfrist und damit den Zugang der Kündigung muss der Arbeitgeber beweisen!

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In welcher Form muss die fristlose Kündigung ausgesprochen werden? 

 Die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen, § 623 BGB. Das Kündigungsschreiben muss eigenhändig vom Arbeitgeber oder einer vertretungsberechtigten Person unterschrieben sein. Eine mündliche Kündigung oder eine Kündigung per E-Mail, WhatsApp oder Fax ist immer unwirksam.  Eine Begründung muss die Kündigung übrigens nicht unbedingt enthalten. Allerdings muss der kündigende, also in der Regel der Arbeitgeber, bei der fristlosen Kündigung auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Wenn die Kündigung nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch einen Bevollmächtigten erfolgt, sollten Arbeitnehmer immer prüfen, ob neben dem Kündigungsschreiben eine Vollmachtsurkunde vorgelegt wurde. Liegt eine solche nicht vor, kann der Arbeitnehmer die Kündigung aus diesem Grund zurückweisen. Wenn die Zurückweisung unverzüglich (i.d.R. innerhalb einer Woche) geschieht, führt das zur Unwirksamkeit der Kündigung (§ 174 BGB). Allerdings besteht ein Zurückweisungsrecht dann nicht, wenn eine Person kündigt, von der der Arbeitnehmer weiß, dass sie die Befugnis dazu hat, wie beispielsweise ein Personalleiter. Auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat, kann der Arbeitnehmer nicht zurückweisen. In einem solchen Fall führt die Zurückweisung also nicht zur Unwirksamkeit.

Wichtig: Im Zweifelsfall sollten Sie unbedingt einen Experten hinzuziehen, denn ganz viele Kündigungen scheitern schon an formalen Voraussetzungen. Unter Umständen muss man die Kündigung dann aber sofort form- und fristgerecht zurückweisen. Wie man sich bei Zweifeln an der formalen Wirksamkeit einer Kündigung am besten verhält, kann Ihnen ein Rechtsanwalt raten. Eine Kündigung, die nur elektronisch unterschrieben ist oder die (nur) per E-Mail zugestellt wird, ist aber immer unwirksam.

Was sind die Rechtsfolgen einer unwirksamen fristlosen Kündigung?

Ist die fristlose Kündigung unwirksam:

  • Gilt das Arbeitsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten fort.
  • Der Arbeitgeber muss für die Zeit seit Kündigungsausspruch den Lohn aus Annahmeverzug nachentrichten. 
  • Eine fristlose Kündigung kann durch das Gericht oder die Vertragsparteien auch in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Voraussetzung ist, dass dem Kündigenden der Wille unterstellt werden kann, dass er bei Nichtigkeit einer fristlosen Kündigung zumindest auch ordentlich kündigen will. 

In vielen Fällen erklären Arbeitgeber deshalb schon ausdrücklich in der Kündigung, dass sie für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung zumindest eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung aussprechen wollen (“hilfsweise” ordentliche Kündigung).

Was sollte man nach Erhalt einer fristlosen Kündigung zu tun?

Erhalten Sie eine fristlose Kündigung müssen Sie sofort handeln: 

  • Sie können das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, um eventuelle Sachverhalte zu besprechen, Missverständnisse aufzuklären und nach alternativen Lösungen zu suchen. 
  • Ist dieser Schritt erfolglos, können Sie sich an Ihren Betriebsrat oder Gewerkschaft wenden. Alternativ sollten Sie einen spezialisierten Anwalt im Arbeitsrecht zur Beratung und Unterstützung hinzuziehen.
  • Sofern Sie gerichtliche Schritte einleiten wollen, müssen Sie dies innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung tun. Nach Ablauf dieser Frist wird die Kündigung vom Gesetz als wirksam erachtet. 
  • Reichen Sie Ihre Klage fristgerecht ein, hat der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung.
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