Kündigung wegen Krankheit – ist das zulässig?

Kündigung wegen Krankheit

Viele Beschäftigte fragen sich: Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn man lange oder häufig krank ist? Grundsätzlich ist das nur in engen Ausnahmefällen erlaubt – und in der Praxis oft unwirksam. Entscheidend sind drei Voraussetzungen: Wie wahrscheinlich ist eine erneute Erkrankung? Wie stark ist der Betrieb durch den krankheitsbedingten Ausfall des Mitarbeiters belastet? Und: überwiegt das Interesse des Arbeitgebers das des Arbeitnehmers? Unser Beitrag erklärt die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Krankheit, das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), Ansprüche auf Abfindung, den Bezug von Arbeitslosengeld – und wie sich Betroffene wehren können.

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Das Wichtigste auf einen Blick

  • Eine Kündigung wegen Krankheit ist nur zulässig, wenn eine negative Gesundheits- prognose, eine betriebliche Beeinträchtigung und eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers vorliegen.
  • Oft sind Kündigungen wegen Krankheit unwirksam – zum Beispiel, weil kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt wurde.
  • Eine Krankschreibung schützt dagegen nicht automatisch vor Kündigung. Eine Kündigung während Krankheit ist also rechtlich moeglich.
  • Eine Abfindung ist nicht gesetzlich garantiert, wird aber oft freiwillig gezahlt.
  • Arbeitnehmer müssen innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage einreichen, sonst wird die Kündigung wirksam.

Was ist eine krankheitsbedingte Kündigung?

Eine krankheitsbedingte Kündigung (auch Kündigung wegen Krankheit) ist eine personenbedingte Kündigung. Der Arbeitgeber beendet das Arbeitsverhältnis, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung dauerhaft oder wiederholt krankheitsbedingt nicht erbringen kann. Sie ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Negative Gesundheitsprognose: Es muss absehbar sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig regelmäßig oder dauerhaft arbeitsunfähig sein wird (mehr als sechs Wochen pro Jahr – Details unten).
  • Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung: Die häufigen oder langen Fehlzeiten müssen zu Störungen im Betriebsablauf oder finanziellen Belastungen führen (Details unten)
  • Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers: Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss schwerer wiegen als das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Jobs (Details unten)

Nur wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt (§ 1 KSchG) und damit wirksam sein.

Wichtig: Eine bloße Krankschreibung schützt nicht automatisch vor Kündigung – der Arbeitgeber darf während Krankheit eine Kündigung aussprechen, wenn die gesetzlichen Anforderungen ansonsten erfüllt sind.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Kündigung wegen Krankheit rechtens?

Ein Arbeitgeber darf nicht einfach kündigen, weil der Arbeitnehmer krank ist. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte müssen für eine krankheitsbedingte Kündigung die oben bereits dargestellten drei Voraussetzungen erfüllt sein:

Negative Gesundheitsprognose

Eine negative Gesundheitsprognose liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft mehr als 6 Wochen pro Jahr krankheitsbedingt fehlen wird. Diese Prognose muss durch ärztliche Gutachten untermauert werden. Entscheidend ist also, ob die Erkrankung andauert oder sich verschlechtert, sodass die Arbeit dauerhaft nicht mehr ausgeführt werden kann.

Beispiele für Negative Gesundheitsprognose bei Krankheiten

Beispiele für Krankheiten mit im Einzelfall negativer Prognose:

Einmalige Erkrankung oder chronisches Problem: Bei der Beurteilung der Prognose sind insbesondere die Art und Häufigkeit relevant. Ein einmaliger Vorfall wie ein Unfall oder eine Blinddarm-OP führt meist nicht zu erneuten Ausfällen. Wiederholt sich eine Erkrankung jedoch häufig, deutet das auf eine chronische Krankheit hin – und eine negative Prognose ist wahrscheinlicher.

Beispiele für negative Gesundheitsprognose in sonstigen Fallgruppen

Beispiele für sonstige Fallgruppen mit im Einzelfall negativer Prognose koennen sein:

  • Unfälle: Sind eigentlich einmalige Ereignisse, aus welchen man normalerweise keine weiteren zukünftigen Fehlzeiten prognostiziert kann. Führen die Folgen eines Unfalles aber zu einer dauerhaften Leistungsminderung, so kann eine negative Gesundheitsprognose vorliegen. Einem Bauhandwerker, der nach einem Unfall auf Dauer keine schweren Lasten tragen kann, könnte sein Arbeitgeber also unfallbedingt kündigen. Dagegen kann er nicht kündigen, wenn der Handwerker lediglich eine temporäre Verletzung hat, die nach absehbarer Zeit ausheilt und er wieder einsatzfähig ist. Eine Ungewissheit in der Ausheilung der Verletzung steht dann einer dauernden Leistungsunfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann.1 Handelt es sich um einen Arbeitsunfall, sind die Anforderungen an den Arbeitgeber höher.
  • Alkohol- und Drogensucht: Sind Krankheiten. Der Arbeitgeber kann krankheitsbedingt kündigen. Problematisch ist die negative Gesundheitsprognose, da es bei Drogenabhängigkeit oft dazu gehört, dass der Betroffene meint, er habe die Sucht unter Kontrolle.  Von einer negativen Prognose kann aber ausgegangen werden, wenn er eine Entziehungskur/ Therapie ablehnt.2  Tritt er eine Kur an, muss der Arbeitgeber das Ergebnis abwarten. Hat sie Erfolg, kann keine Kündigung ausgesprochen werden.

Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung

Erforderlich ist außerdem, dass die Fehlzeiten die Betriebsabläufe beeinträchtigen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Maschinen stillstehen oder es zu einer Überlastung bei den Kollegen kommt. Es reicht aber auch schon eine wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers aus. Häufige Kurzerkrankungen sind in der Regel mit einer Entgeltfortzahlung verbunden, weil die Kran­ken­kas­se erst nach sechs Wochen mit dem Krankengeld einspringt. Für Arbeitgeber können diese Fehlzeiten finanziell eine erhebliche Belastung darstellen. Fehlt ein Arbeitnehmer pro Jahr wegen häufiger Kurzerkrankungen zusammengerechnet mehr als sechs Wochen, kann eine Kündigung also gerechtfertigt sein.

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Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers

Schließlich muss der Arbeitgeber eine Interessenabwägung durchführen. Der Arbeitgeber darf nur dann kündigen, wenn seine Interessen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers an dessen Fortführung überwiegen. 

Zugunsten des Arbeitnehmers sind:

  • Dauer der Be­triebs­zu­ge­hörig­keit
  • Lebensalter
  • Soziale Schutzbedürftigkeit (durch Krankheit, Alter oder Unfall entstanden)

Erst wenn die Abwägung dazu führt, dass dem Arbeitgeber die erheblichen Belastungen durch die Erkrankung nicht mehr zumutbar sind, kann er wirksam kündigen.

Allgemeine Gründe für die Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung 

Des Weiteren ist eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam, wenn:

  • die Zustimmung des Betriebsrats (falls vorhanden) fehlt,
  • Formfehler vorliegen, so zum Beispiel:
    • Mündliche Kündigung 
    • Schriftliche Kündigung erfolgt ohne ordnungsgemäße Unterschrift 
    • Falsche Kündigungsfristen
  • Besondere Kündigungsschutzrechte (z. B. für Schwangere oder Schwerbehinderte) nicht beachtet wurden.
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Rolle des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen, um Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu prüfen.3 Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, daran teilzunehmen. Die wesentlichen Aspekte des BEM sind:

  • Der Arbeitgeber muss gemeinsam mit dem Arbeitnehmer und ggf. dem Betriebsrat oder der Schwerbehindertenvertretung klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann.
  • Teilnahme ist freiwillig: Der Arbeitnehmer kann das BEM ablehnen. 
  • Wenn kein BEM durchgeführt wird, kann dies in einem Kündigungsschutzprozess zugunsten des Arbeitnehmers ausgelegt werden. Eine Unwirksamkeit der Kündigung folgt daraus nicht. Aber: Hat der Arbeitnehmer das BEM abgelehnt, kann er sich später im Kündigungsschutzprozess nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, dass der Arbeitgeber es nicht durchgeführt hat.

Keine Abmahnung bei Kündigung wegen Krankheit erforderlich

Bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist im Regelfall keine Abmahnung erforderlich, denn dem Arbeitnehmer wird ja grade kein “steuerbares” Fehlverhalten vorgeworfen. Der Arbeitnehmer besitzt auf Grund der Erkrankung schlicht nicht (mehr) die erforderliche Eignung und / oder Fähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Also erübrigt sich auch nach der Rechtsprechung i.d.R. eine vorherige Abmahnung.4

Sonderfragen

Kündigung wegen Krankheit in der Probezeit

Andere Grundsaetze gelten in der Probezeit. Hier gelten weniger strenge Kündigungsregeln, da der gesetzliche Kündigungsschutz erst nach der Probezeit greift. In der Probezeit kann der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen. Das heißt, dass auch eine Krankheit, selbst wenn sie nur kurzzeitig ist, zur Kündigung führen kann. In dieser Zeit ist eine Kündigung wegen Krankheit grundsätzlich immer mit einer Frist von 14 Tagen möglich.

I.d.R. keine fristlose Kündigung wegen Krankheit

Eine fristlose Kündigung wegen Krankheit ist theoretisch möglich, in der Praxis aber fast immer unwirksam. Meist fehlt es an dem nach § 626 BGB erforderlichen wichtigen Grund, der eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur in seltenen Ausnahmefällen – etwa wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst für wenige Wochen unzumutbar wäre – kann eine fristlose krankheitsbedingte Kündigung überhaupt in Betracht kommen.

Ein typischer Grenzfall ist die Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Zwar kann das Erscheinen zur Arbeit unter Einfluss von Alkohol oder anderen Substanzen eine Pflichtverletzung darstellen, in der Regel handelt es sich dabei jedoch nicht um ein schuldhaftes Verhalten, sondern um die Folge einer Suchterkrankung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 7. Dezember 1989 – 2 AZR 357/89) hat klargestellt, dass eine Alkoholabhängigkeit als Krankheit gilt. Der Arbeitgeber darf also nicht allein wegen des Konsums oder Rückfalls fristlos kündigen, solange der Arbeitnehmer therapiebereit ist oder sich in Behandlung befindet.

Anders kann es sein, wenn der Arbeitnehmer bewusst eine Entziehungskur verweigert oder wiederholt betrunken zur Arbeit erscheint, obwohl bereits mehrfach Gespräche und Behandlungsangebote stattgefunden haben. Dann kann im Einzelfall ein vorwerfbares Verhalten vorliegen, das eine verhaltensbedingte oder in Extremfällen sogar fristlose Kündigung rechtfertigt.

Weitere denkbare Ausnahmefälle sind etwa:

  • massive Gefährdung anderer Beschäftigter, z. B. wenn ein alkoholabhängiger LKW-Fahrer unter Einfluss fährt,
  • beharrliche Arbeitsverweigerung trotz Krankschreibung,
  • oder vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit (z. B. Schwarzarbeit während angeblicher Krankheit).

Solche Fälle sind aber nicht die Regel, sondern absolute Ausnahmen. In der Praxis ist die fristlose Kündigung wegen Krankheit oder suchtbedingter Arbeitsunfähigkeit so gut wie nie haltbar.

Eine fristlose Kündigung ist bei Krankheit nur in extremen Ausnahmefällen wirksam. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit gelten als Krankheit – eine Kündigung ohne vorherige Therapiechance ist unzulässig. Nur bei bewusster Verweigerung einer Behandlung oder akuter Gefährdung anderer kann sie gerechtfertigt sein.5

Abfindung bei krankheitsbedingter Kündigung

Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung besteht nicht. Arbeitgeber bieten jedoch oft freiwillig eine Abfindung an, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Eine häufig genutzte Formel lautet:

Abfindung = “Faktor” × Bruttomonatsgehalt × Beschäftigungsjahre 

Beispiel: Bei einem Monatsgehalt von 4.000 € und 10 Jahren Betriebszugehörigkeit ergibt sich bei einem “Faktor” von beispielsweise 0,75 eine Abfindung von 30.000 €. Doch je nach den einzelnen Umständen – und dem Verhandlungsgeschick Ihres Anwalts – kann im Einzelfall mehr ausgehandelt werden.

Folgen der krankheitsbedingten Kündigung auf das Arbeitslosengeld

In der Regel kann der Arbeitnehmer nach einer krankheitsbedingten Kündigung sofort Arbeitslosengeld I beziehen, sofern alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Sperrzeit kann nur verhängt werden, wenn ein Fehlverhalten nachgewiesen wird (z. B. Vortäuschen einer Krankheit).

Kündigung wegen Krankheit – was tun?

Bei Erhalt einer krankheitsbedingten Kündigung sollte ein im Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt aufgesucht werden. Es sollte auf jeden Fall schnell gehandelt werden, weil nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage erhoben werden kann. Dazu ist wichtig, dass ein Experte im Arbeitsrecht genau prüft, ob die Kündigung wegen Krankheit wirksam ist. Auch bei fehlendem Interesse an einer Weiterbeschäftigung im Betrieb, wird sich die Unwirksamkeit der Kündigung auf jeden Fall auf die Höhe einer Abfindung auswirken. 

Zusammengefasst sollten man diese 5 Schritte unternehmen:

  1. Auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt aufsuchen.
  2. Kündigungsschreiben auf formale und sonstige Fehler prüfen (so z.B. fehlende Unterschrift, falsche Kündigungsfrist).
  3. Ärztliche Nachweise und alle Unterlagen sammeln, die für die oben genannten 3 Voraussetzungen relevant sind.
  4. Kündigungsschutzklage erheben: Dies ist nur binnen 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung möglich.
  5. Überlegen, ob bei einer unwirksamen Kündigung eine Weiterbeschäftigung oder eine Abfindungszahlung in Frage kommt.

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FAQ zur Kündigung wegen Krankheit

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  1. BAG 13.05.2015, 2 AZR 565/14 ↩︎
  2. BAG 20.03.2014, 2 AZR 565/12 ↩︎
  3. Vgl. § 167 Abs. 2 SGB IX ↩︎
  4. BAG v 12.04.2002 – 2 AZR 148/01 ↩︎
  5. BAG v. 20.12.2012, 2 AZR 32/11 ↩︎

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